Tempelhof-Terror
Jeden zweiten Donnerstag im Monat trifft sich die erste Garde der phantastischen Literatur Boris Koch, Markolf Hoffmann und Christian von Aster zum Stirnhirnhinterzimmer-Themenabend. Die brisanten Themenkomplexe, die dort behandelt werden, sind in der Literaturszene einzigartig. Vor allem in der „großen“ Literatur wird ignorant ein Bogen um so anarchistische Motive gemacht, wie „Einhornherpes“, „Beichtstuhl- Wildcard“ oder „Rote Nasen unter Mexikos heisser Sonne“. Doch die drei Autoren geben sich Monat für Monat solche illustre Themen vor. Das macht die Lesung spannend und garantiert exklusives Textwerk. Nicht zuletzt zwingen sich die extrem vielbeschäftigten Autoren damit wohl auch zum regelmäßigen Schreiben lesungskompatibler Geschichten. Im Juli wurde zu „Burn, burn, Tempelhof, burn!“ aufgerufen und mal wieder ein wahres Hirngewitter auf die zahlreichen Besucher in der Z-Bar Berlin losgelassen.
Mit der Projektion eines musikalisch-visuellen Anschlags auf Tempelhof von dem immer noch frei herum laufenden, gefährlichen Schlager-Terroristen Gunter Gabriel, wurde das Schlimmste gleich vorweggenommen. Es folgte eine Radio-Performence mit allen Lesenden, die angeleitet von dem Gast des Abends Johannes F. Kretschmann, uns darüber informierte, dass der im Bau befindliche Flughafen BBI schon allein wegen der Optik der Buchstabenkombination sehr viel mit Sex zu tun hat.
Von Aster hatte anschließend, in Hinblick auf die nationalsozialische Geschichte von Tempelhof, ein paar Vorschläge zur sinnvollen Umgestaltung des freiwerdenen Flughafengeländes und betitelte seinen Beitrag „Groß Göring – oder: Come to where the Glatzen are“. In diesem Randgruppen – Reservat mit autoagressivem Trainingsprogramm sollte auch der Kalbshaxen stimmig in der SS-Ecke verspeist werden.
Nach so viel (O-Ton) „krankem Scheiß“, durfte Boris Koch die Freiheitsstatue auf der Flucht vor Georg Busch III. nach Kuba ins politische Asyl fliehen lassen und noch andere große nationale Symbole von ihrem Kulturterrorismus abhalten.
Markolf Hoffmann schickte schließlich noch einen Dämonenjäger ins Ölbaum-Feld und sicherte die Political Corectness des Abends mit einem unerwartet ökologisch korrekten Text. An umgesägte Bäume lässt sich eben schlecht pinkeln.
Doch beim Stirnhirnhinterzimmer ist ja nicht nur sprudelnde Phantasie und intelligenter Humor gefragt, nein, manchmal muss man auch heldenhaften Mut beweisen. Wie zum Beispiel der vollblutschwäbische Gastautor, der ohne Rücksicht auf eigene und fremde Verluste ein schwäbisches Mundartgedicht zum Besten gab. Um im Themenbereich des Abends zu bleiben, würd ich das als „Phonetischen Terror“ beschreiben …
Er durfte dann auch das Thema des nächsten Stirnhirnhinterzimmers im August vorgeben: „Nahrungsmittelergänzungsstoffe“. Das wird sicherlich wieder ein äußerst gehaltvoller Abend voller Antioxidantien, den man absolut nicht verpassen sollte, zumal sich am 14. Augsut ein Gast namens André Ziegenmeyer hinzugesellen wird …
Fehlstunden bei diesen außergewohnlichen Themenabenden können nunmehr nachgearbeitet werden, denn es gibt nun endlich auch ein Buch mit den allerbesten Texten des Stirnhirnhinterzimmers – nur „hervorragend“ reicht eben nicht immer …
Von Marion Alexa Müller