Ein Interview mit Nicolas Schmidt.
Die Schulferien sind vorbei, ein neues Schuljahr beginnt und jetzt ist Schluss mit lustig. – Doch Moment, … in einem bayerischen Gymnasium ist das Gegenteil der Fall. Denn da steht Nicolas Schmidt vor der Klasse. Nebenberuflich ist der nämlich als Slam-Poet unterwegs und seine fiktive Lehrerfigur meckert gegen das Schulsystem und doktrinäre Strukturen.
Pünktlich zum Schulstart erschien sein neues Werk „Dem Herrn Schmied sein Schuljahr“ mit 12 dialogischen Texten aus dem Klassenzimmer. Wir haben deshalb den ungewöhnlichen Lehrer aus Erlangen an die Tafel gebeten, um uns ein paar Fragen zu beantworten.
Lehrer Schmied kann man nicht gerade autoritäres Gehabe vorwerfen. Er geht selbst auf die beklopptesten Fragen seiner Schüler ein, ist manchmal sprachlos oder kontert mit: „Hör auf mit dem Scheiß!“ Inwieweit spiegelt Herr Schmied Deinen eigenen Lehrstil wieder?
Nicolas: Das müssen meine Schüler beantworten. Ich hoffe nicht, dass ich durchwegs so fahrig und launisch rüberkomme wie der Herr Schmied – aber wer weiß?
Aus einem Interview von 2012 höre ich heraus, dass viele Schüler dich chillig finden und ein Lehrer sagt sogar, Du wärst „fast schon eine Legende an der Schule“. Welche Eigenschaften muss ein Lehrer mitbringen, dass Schüler ihn cool finden und trotzdem im Unterricht etwas lernen?
Nicolas: Ich glaube, man sollte fachlich was draufhaben, ein freundliches und humorvolles Wesen haben und sich selbst nicht zu wichtig nehmen.
Du hast mal gesagt: „Ich arbeite schon innerhalb des Systems, aber vielleicht an den Grenzen.“ Welche Grenzen würdest Du im Schulsystem am liebsten abgeschafft sehen?
Nicolas: Ich würde gerne die Noten abgeschafft sehen, die permanenten Prüfungen bzw. den Glauben an die Sinnhaftigkeit der dauernden Überprüfung des Lern- und Leistungs- und Entwicklungsstands der Schüler.
Gibt es dagegen ein Schulsystem in einem anderen Land, das Du gerne auch in Deutschland hättest?
Nicolas: Das lässt sich nicht so leicht sagen. Mir ginge es nicht um die komplette Übernahme eines Schulsystems, sondern um das vorsichtige Ausprobieren von einzelnen Systemelementen.
Du trittst ja auch als „Bybercap“ bei Poetry-Slams auf. Helfen Dir Deine Bühnenauftritte und das Schreiben dabei, mit dem Schulstress besser umzugehen?
Nicolas: Nein. Aber ich habe im Bereich “Poetry Slam” viel Interesse von Schülern erlebt, das mir sonst bei ihnen im Alltag oft fehlt. Da herrscht bei vielen meist eher „Dienst nach Vorschrift“.
These: „Die jungen Leute von heute spielen nur noch auf ihren Smartphones rum, interessieren sich für nix mehr und verkümmern sozial.“ War früher wirklich alles besser?
Nicolas: Natürlich nicht, aber das dauernde Beschäftigen mit Smartphones macht die Schüler im Schnitt schon fahriger, aber vielleicht können die auch besser mit Multitasking umgehen als vorige Generationen.
Wie stehst Du zur Inklusion von Menschen mit Behinderung in normale Schulklassen?
Nicolas: Soweit ich das bislang beurteilen kann (wir haben an unserer Schule mit Autismus, Hör- und Sehproblemen sowie Tourette Erfahrung), ist das eine gute Idee. Aber es verlangt von allen Beteiligten hohes Engagement (Geld, Organisation, Geduld, Toleranz, Gewöhnung etc.) ab. Und dogmatisch sollte man auch mit Inklusion nicht umgehen.
Wenn Du nicht Lehrer geworden wärst, was wäre dann Dein jetziger Beruf?
Nicolas: Vielleicht Journalist oder irgendwas mit Kultur. Ich bin aber sehr froh, wie es läuft. Ich glaube, dass sich meine Aktivitäten in und außerhalb der Schule gegenseitig befruchten.
Vielen Dank für das Interview. Du darfst Dich wieder hinsetzen 🙂
Das Interview führte Angela Engelhardt.