Interview mit dem Sänger der Letzten Instanz.
Wenn er auf der Bühne steht, dann geht es an diesem Abend darum, die Stimmung zum Kochen zu bringen und den begeisterten Fans einen unvergesslichen Abend zu bereiten. Aber Holly ist nicht nur Rockstar, sondern auch Autor – und das Schreiben von Büchern ist eine eher stille Angelegenheit. Sein Buch “Das weiße Buch des Jadefalken heraus” ist eine wunderschöne, ruhige Liebesgeschichte zwischen einer Christin und einem Moslem. Es thematisiert unter anderem die Unterschiede der beiden Religionen, aber auch deren Gemeinsamkeiten und den Umgang der Protagonisten mit dem jeweils anderen Glauben. Wir haben Holly Loose interviewt, da wir wissen wollten, an was er eigentlich glaubt und haben mit ihm – ganz wortwörtlich- über Gott und die Welt geredet.
Periplaneta: Wie gestaltet sich deine Beziehung zu Gott?
Eine sehr interessante und gleichzeitig sehr persönliche Frage. Denn als allererstes möchte ich betonen, dass gerade der Glauben an sich ja eine ganz private Sache ist, die jeder Mensch mit sich selbst ausmacht. In der Bibel steht „Am Anfang war das Wort“. Das stimmt aus meiner Sicht nicht. Vielmehr steht an jedem Anfang ein Gedanke. Ein Gedanke, der sofort verfälscht wird, sobald man ihn in die Form eines Wortes gießt. Aber gut, vielleicht finde ich Worte, die annähernd meine ganz persönliche Beziehung zu Gott erklären.
Ich gehe ab und an in die Kirche, um in der Gemeinschaft der Christen an einem Mysterium teilzunehmen und Teil der Gemeinschaft zu sein. In Istanbul habe ich Moscheen besucht, in der hintersten Reihe als Zuhörer und stiller Betender an den muslimischen Gottesdiensten teilgenommen. Ehe ich mich versah, war ich ein Teil der Umma, ohne Muslim zu sein. Oder ist ein Muslim irgendwie auch Christ? Oder umgekehrt? Abgesehen von Traditionen, die auch regional unterschiedlich sind, unterscheiden sich beide Religionen aus meiner Sicht nicht viel von einander. Zumindest wenn man sie im Licht der „Herzlichkeit“ betrachtet. Für mich haben die Kirche, die Umma oder ähnliche Institutionen vielleicht eher die Aufgabe, als Vermittler zwischen Menschen zu agieren, denn als Mittler zwischen Gott und Mensch. Gott ist für mich präsent in jeder Fliege, jedem Geschoss, jedem Lachen und jeder Träne. Ich denke, Gott ist nicht für unser Leben verantwortlich, sondern wir selber sind es. Und wenn ich davon ausgehe, dass Glauben jedermanns eigene Sache ist, braucht Gott auch keine Definition, sondern nur einen Gedanken.
Periplaneta: Setzt du dein Verständnis von Glauben in irgendeiner Weise im Alltag um?
Das Gesetz der Ursache und Wirkung ist ein wesentlicher Bestandteil meines Glaubens. Deshalb versuche ich, ein guter Mensch zu sein, der sich in die menschliche Gesellschaft einfügt und ihr nützt. Ich versuche, offenen Blickes durch die Straßen zu gehen. Manchmal ergeben sich schon im Kleinen Dinge, die aus einem dunklen Tag einen schönen Tag machen – Ein Lächeln eines Fremden, ein Dank eines Fremden, und so weiter. Ich versuche, Zorn und Stolz aus meinem Leben zu verbannen, aber da bin ich noch ein Schüler, dem manchmal die Gelassenheit fehlt, Dinge hinzunehmen.
Das klingt jetzt sehr absolut, aber das ist es nicht, kann und darf es auch gar nicht sein. Denn, wenn wir mal wieder zur Bibel und dem Koran zurückkommen und vorausgesetzt, wir verstehen beide Werke als Gleichnis- und Regelwerk für einen gesellschaftlich guten „Benimm-Kodex“, dann braucht es durchaus auch schon mal Zorn, um andere Individuen daran zu erinnern, dass sie nicht allein auf der Welt sind. Solange dieser Zorn ein wohl temperierter ist und nicht in blinde Wut ausartet, ist er vielleicht manchmal eben doch ganz brauchbar, obwohl er zu den Todsünden zählt.
Periplaneta: Wie intensiv hast du dich mit den Schriften des Korans und der Bibel beschäftigt?
Ich habe beide Bücher zu lesen versucht und dabei – ganz für mich allein, das betone ich noch einmal – festgestellt, dass gerade das Neue Testament und der Koran im Eigentlichen eine Lebensgeschichte der Propheten „Muhammad“ und „Jesus Isa Ibn Miriam“ darstellen. Gleichnisse für Suchende. Mit vielen Ratschlägen und Benimmregeln für eine bessere Gesellschaft.
Periplaneta: Und hast du dabei Erkenntnisse gewonnen?
Ich denke, dass beide Bücher eventuell einer Neuerung bedürfen, um von den Menschen im 21. Jahrhundert ebenfalls verstanden zu werden.
Periplaneta: Welche Aussage steht im Mittelpunkt deines Romans?
Die Liebesbeziehung zwischen Laura und Çingiz oder der Konflikt der beiden Weltreligionen?
Eigentlich wollte ich nur einen Reiseroman schreiben und davon berichten, was mir in der Zeit meines Istanbul-Aufenthaltes von verschiedenen einzelnen Menschen, aber auch Ehe- und Liebespaaren zugetragen wurde. Aber wie bei den meisten Geschichten verfliegt irgendwann das Ziel. Projekt, Protagonisten und Prämisse machen sich selbstständig. Vielleicht wohnt dem ja ein höheres Wesen als meinem Geist inne? Aber im Ernst: Ich wollte eine Geschichte schreiben, nichts weiter. Ich wollte von Liebe erzählen, denn fast nichts anderes findet sich in der Bibel und dem Koran auch.
Periplaneta: Welche Vorstellung hast du von Gott bzw. Allah?
Als ich ein Kind war, stellte ich mir Gott, wie wohl alle anderen Kinder auch, als alten, gutmütigen und weißbärtigen Mann vor, der von einer Wolke aus zu mir herunter winkte. Diese Vorstellung hielt allerdings nicht lange an. Aus dem gutmütigen, alten Mann wurde kurz vor meiner Pubertät, ein gefährlicher Alter, der missmutig und halb wahnsinnig über die Menschheit richtete. Während des Kunstunterrichtes der frühen Realschule war Dürers Holzschnitt „Die apokalyptischen Reiter“ zumindest ein Wegweiser in diese Richtung. Später dann machten die Romane von Peter Berling und Marion Zimmer-Bradley aus mir einen christusundgottablehnenden Jugendlichen, der eher das Gute verleugnete und es cool fand, böse zu wirken, wobei wahrscheinlich ein Hippie im Hawaiihemd cooler und schwärzer war als ich.
Mittlerweile mache ich mir kein Bild mehr von „Gott“ oder „Allah“, denn ein Bild zu machen bedeutet, dem eine Materie zu geben. Wo bliebe dann die Antimaterie? Welche Farben sollte ich denn benutzen? Blau? Schwarz? Pink? Für mich ist „Gott“, ebenso wie „Allah“ der vollkommenste Gedanke, der in gute Taten mündet, wobei ich, um es einfach zu halten, die schlechten Taten mal ebenfalls als „Gut“ hinstelle und sie „Erfahrung“ nenne. Im Passiven wie im Aktiven. Denn wie soll ein Mensch wissen, was gut ist, wenn er das Schlechte nicht kennt? Wie du sehen kannst, gehört also auch Dualismus dazu. Gut/Böse. Nass/Trocken. Und eine Portion Alchemie: Wie im Großen, so im Kleinen. Wie oben so auch unten. Lass dir das auf der Zunge zergehen und du wirst fühlen, dass ich recht habe. Wenn nicht, dann liegt es an den Worten, die nicht ins Gedanken-Korsett passen. ;o)
Periplaneta: Ist es dir ein persönliches Anliegen, die Kommunikation zwischen verschiedenen Religionen zu fördern?
Ich habe eine bestimmte und sehr schöne Erfahrung machen dürfen. Als Fremder in einer fremden Stadt zu sein, ist das Eine. Als Fremder Gläubiger in einer Stadt fremden Glaubens zu sein, ist noch etwas anderes. Obwohl ich kein Christ bin, bin ich doch den abendländisch-christlichen Wurzeln unweigerlich verbunden. Obwohl meine Mutter keine Christin war, hat sie mir doch viele abendländisch-christliche Werte anerzogen. Nun ging und geht seit Beginn des neuen Jahrtausends der „Furor Islamicus“ in der westlichen Welt um, der teilweise von der östlichen Welt, zu großen Teilen aber auch von der westlichen Welt geschürt und aus meiner Sicht als Wegbereiter für „Gesetze zum Schutz der Allgemeinheit“ – siehe Umgehung des Datenschutzes bei gleichzeitiger Beschneidung jeglicher individueller Freiheit –missbraucht wird.
Wie fast immer in der Geschichte der Menschheit wird Religion vorgeschoben und wie fast immer ist Angst der beste Nährboden. Neben Verdummung. Das Erstaunliche ist dabei, dass Gott das gar nicht zu interessieren scheint. Vielleicht sind ihm die Religionen gar egal?? Wie auch immer. Mein Anliegen war es, neben dem Erzählen einer einfachen Geschichte gerade dem deutschen Abendländer zu zeigen, dass zumindest der Koran viele schöne Geschichten bereit hält und die Muslime, die ich kennenlernen durfte, neben alten und neuen Freunden zu den tollsten Menschen gehören, die unter unserem breiten Sternenhimmel leben.
Periplaneta: Liest du christliche oder, ganz allgemein, religiöse Literatur?
Ich lese sehr viel spirituelle Literatur. Vieles davon verstehe ich nicht und vieles davon ist mir zu einfach, aber so ist das mit den bestimmten Vorstellungen und Gedanken einzelner Menschen. Die Gedanken mögen ergiebig sein, allein das Wort reicht nicht.
Periplaneta: Und welche Bücher genau?
Bücher über Schwarze und weiße Magie, Alchemie und Astrologie, Runenkunde, Psychologie, Weltverschwörungsthemen gehören ebenso in meine Bibliothek wie Bücher vom Dalai Lama, Kastaneda, Lessing, Coelho, Zimmer-Bradley, Berling und vielen anderen wichtigen Autoren und Erzählern. Damit will ich weder als klug gelten noch sagen, dass ich sonderlich belesen wäre, denn wie gesagt verstehe ich vieles von den Inhalten nicht; was aber Allen innewohnt, ist ein Ansatz zum Nachdenken. Und derselbe Ansatz findet sich natürlich auch in den Suren des Korans, in den Gleichnissen des Alten Testaments, den Evangelien des Neuen Testaments und vielen apokryphen Schriften.
Periplaneta: Woher stammt dein Interesse für den Glauben, wenn er nicht aus deinem Elternhaus kommt?
Das war wohl der Lauf der Dinge. Mein Elternhaus stand im Berlin der DDR. Da trat die christliche Religion sehr vorsichtig auf. Vom Islam hatte ich ein sehr romantisches, orientalisches Bild, das nicht viel mit Gott zu tun hatte. Allah war für mich ein Zauberer, der womöglich Aladins Wunderlampe entsprang. In meinem Umfeld gab es niemanden, der mich über Religion und Glauben aus spiritueller Sicht hätte aufklären können. Zwar bin ich als junger Jugendlicher am Heiligen Abend in die Mitternachtsmesse der evangelischen Kirche gegangen, doch nur um mit meinen Freunden den elterlichen „Regelkreisen“ für eine Nacht offiziell zu entwischen. Später dann hatte ich eine Freundin, die das evangelische Glaubensbekenntnis abgelegt hatte und ich war sehr, sehr kritisch, wenn nicht gar ablehnend. Denn wer war denn Herr Gott? Der sich allmächtig nannte und nichts geschehen ließ, was mich und alle anderen zu glücklichen Erdengeschöpfen machte.
Ich trieb es soweit, dass ich diesem Gott direkt die Kreuzzüge zuschrieb, anstatt sie als Geschehen in dessen Namen zu sehen. Und irgendwann… na ja… irgendwann setzte sich der Gedanke fest, dass ich – und mit mir meine Freundin, meine Mutter, meine Brüder, meine Nachbarn, meine Volksangehörigen, meine Mitmenschen – ja ein Teil dieses Gottes sein könnte. So ganz bin ich von diesem Gedanken noch nicht weg. Mal sehen… wohin der Weg führt.
Periplaneta: Hast du ein Idol oder Vorbild in der Beziehung?
Nein. Aber ich glaube verstanden zu haben, warum es Heilige gibt.
Periplaneta: Hast du dir bestimmte Projekte oder Aufgaben als Schriftsteller oder auch als Musiker zu diesem Thema vorgenommen?
Bis jetzt noch nicht. Wie eben das „Weiße Buch des Jadefalken“ „nur“ eine Geschichte ist und keine Dogma-Lektüre, will ich auch keine Missionen beginnen, sondern nur erzählen. Ich will kein Heiliger sein und keinen Märtyrertod sterben. Ich will singen und erzählen! 🙂
Periplaneta: Herzlichen Dank für Deine Offenheit und die Bereitschaft, dieses sehr persönliche Interview zu führen.
Das Interview führte u.a. Johannes Schönfeld.
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