Interview mit Thommi Baake
Mit Thommi Baake hat die Periplanetaner-Gemeinde ein äußerst vielseitiges Mitglied gewonnen. Es ist unglaublich, was der Mann alles macht: Als Komiker steht er seit 1988 regelmäßig auf der Bühne und wurde dafür mit dem Jury- und Zuschauerpreis des Köln Comedy Festivals ausgezeichnet. Als Schauspieler ist er vor der Kamera ebenso erfolgreich wie auf der Bühne, wie Auftritte in der Sesamstrasse und bei Tatort belegen. Außerdem ist er als Moderator tätig, Mitglied einer Lesebühne und produziert Hörspiele fürs Radio. Und nun schreibt so ein vielbeschäftigter Mann auch noch ein Kinderbuch: „Erwin und die Leuchtgiraffen“.
Periplaneta sprach mit Thommi Baake, dem Autor des „besten Kinderbuch des Jahres“ (Zitat: Thomas Nicolai) über die Entstehungsgeschichte des Buches, über schräge Ideen und die deutsche Kinderbuchszene.
periplaneta: Wie kommt ein Schauspieler überhaupt dazu, ein Kinderbuch zu schreiben?
Thommi Baake: Erstens ist es so, dass ich schon immer Kinderbücher gelesen habe, auch als Erwachsener, und zweitens lebe ich gerne meine kindliche Seite aus. Neben Steuererklärung machen und Verantwortung übernehmen ist es ein schöner Ausgleich.
periplaneta: Und wie kommt Ingolf Lück dazu, die Vorwörter zu schreiben?
Thommi Baake: Ich kenne Ingolf Lück seit einem gemeinsamen Dreh fürs Fernsehen seit Mitte der 1990er Jahre. Wir verstehen uns gut, er hat auch zwei Kinder und so habe ich ihn gefragt, ob er die Vorwörter schreiben möchte. Und das hat er dann auch getan. Und sie gefallen mir sehr gut.
periplaneta: Die Hauptfiguren deiner Geschichten sind ja Kinder. Sind sie deinen Kindern ähnlich?
Thommi Baake: Eigentlich nicht. Nur in einer Geschichte habe ich die Namen und vielleicht ein paar wenige Charakterzüge meiner Kinder übernommen, als Hommage so zusagen.
periplaneta: Inwieweit waren denn deine Kinder sonst beteiligt, etwa als Kritiker?
Thommi Baake: Ich habe meinen Kindern die Geschichten immer vorgelesen. Meistens waren sie damit zufrieden. Wenn sie mal etwas nicht verstanden hatten, habe ich kleine Änderungen vorgenommen. Dazu kam, dass sie bei allen Hörspielen mit eingesprochen haben.
periplaneta: Wieso hat eigentlich ein Buch, das explizit zum Vorlesen gedacht ist, noch Hörspielfassungen dabei? Als Ausweg für lesefaule Eltern?
Thommi Baake: Ich finde alle drei Formen spannend: Lesen, Vorlesen und Hören. Außerdem habe ich begonnen, in meinem Büro zuhause kleine Hörspiele zu produzieren, und somit war schnell klar, dass sie mit ins Buch sollten. Dazu kommt, dass es eine schöne Kombination ist, Buch und CD. Es ist modern und frisch, nicht explizit für faule Menschen, sondern eher für medieninteressierte.
periplaneta: Was hat dabei mehr Spaß gemacht: die Geschichten aufzuschreiben oder die Hörspiele aufzunehmen?
Thommi Baake: Beides hat einen Riesenspaß gemacht und ist eine komplett andere Arbeit. Bei den Geschichten sitzt du alleine irgendwo, zuhause oder im Café. Bei den Hörspielen arbeitest du mit anderen Menschen, Freunden, Schauspielern und Kindern zusammen.
periplaneta: In den Geschichten gibt es öfters unwahrscheinliche Ereignisse. Wie reagieren die Kinder (und die Eltern) darauf?
Thommi Baake: Meine Erfahrung mit unwahrscheinlichen Ereignissen bei Kindern ist gut. Deren Fantasie reicht aus, um absurden Handlungssträngen zu folgen. Erwachsene haben da eher Probleme und denken „Leuchtgiraffe, die können doch nicht durch Steckdosen kommen!“. Kinder mögen das und ich auch.
periplaneta: Periplaneta mag das auch. Das Buch wimmelt von solchen lustigen, ausgefallenen und schrägen Ideen. Wie kommst du überhaupt auf solche Gedanken? Waren da einzelne Ideen schon vorher vorhanden, oder entwickelt sich das alles beim Schreiben?
Thommi Baake: Ich liebe schräge und ausgefallene Dinge. Es gibt so viele „normale“ Geschichten und Bücher. Die können andere schreiben. Mein Herz liegt am Skurrilen. Die Ideen oder Gedanken kommen beim Schreiben.
periplaneta: Die Hauptfiguren sind alles Kinder, die sich mutig schwierigen Situationen stellen. Steckt da eine pädagogische Absicht dahinter?
Thommi Baake: Auch da sage ich: Es gibt genug pädagogische Bücher. Bei mir sollen die Kinder fantasievoll, gut und anspruchsvoll unterhalten werden. Wenn überhaupt sind pädagogische Ansätze unterbewusst eingesetzt.
periplaneta: Wie siehst du die deutschsprachige Kinderbuchszene?
Thommi Baake: Als sehr vielfältig, wenn auch einige AutorInnen die Szene beherrschen. Mir fehlen manchmal noch fantasievollere, absurdere Geschichten, wie sie teilweise englischsprachige oder tschechische Autoren schreiben. Vielleicht habe ich deswegen „Erwin und die Leuchtgiraffen“ geschrieben.
periplaneta: Sind weitere (Kinder-)Bücher geplant?
Thommi Baake: Ich könnte mir ein Buch für Erwachsene mit skurrilen Geschichten und Fotos, die ich geschossen habe, vorstellen. Die Kindergeschichten sind, brutaler Weise, so angelegt, dass man Fortsetzungen schreiben kann. Von daher schließe ich das nicht aus. Es Kapitän Plastik Bein und Peer Augenklappe von Thies Schwarzhängt natürlich auch von dem Erfolg von „Erwin und die Leuchtgiraffen“ ab. Und hier möchte ich noch mal kundtun, da bisher nicht danach gefragt wurde, wie glücklich ich über die wunderschönen Illustrationen von Thies Schwarz bin. So, das musste mal gesagt werden.
periplaneta: Nein, Thies Schwarz wollten wir nicht übergehen. Schließlich sind wir darüber auch sehr glücklich und der feinsinnige Humor, der seine vielen Illustrationen auszeichnet, passt hervorragend zu deinen Geschichten. Danke, dass du dir für das Interview die Zeit nehmen konntest.
Das Interview führte Julia Bossart.