
Lesebühne Vision und Wahn im April.
von Janina Jung
Wer auch an christlichen Feiertagen Kultur genießen wollte, besuchte am Ostermontag, den 2.4.2018 die Lesebühne Vision & Wahn im Periplaneta Literaturcafé. Bereits beim Eintreten empfängt mich eine lockere aufgeschlossene Atmosphäre. Das Thema des Abends lautete „Eiertanz“, also definitiv von Ostern inspiriert.
Thomas Manegold, einer der Stammleser der monatlichen Lesebühne, leitete den Abend mit einer Rede über das Fasten und der Erläuterung ein, dass man mit Bier nicht abnehmen könne. Damit erntete er bereits zu Beginn sehr viele Lacher und widersprach damit seiner eigenen Aussage, dass er nicht für die Comedy zuständig sei.
Den ersten richtigen Text las Stammvorleserin Marion Alexa Müller vor. In „Mutterglück“ sinniert sie humorvoll, aber auch kritisch, über die Bedeutung der Rolle der Mutter und stellt dabei fest: „Die Mutter gilt als eine bedrohte Art.“ Danach erzählt Robert Rescue in seinem Text von seiner Reise nach Westphalen. Um der Beerdigung seines Onkels beizuwohnen, musste er die Strapazen der Deutschen Bahn auf sich nehmen. Von bedrückter Trauer ist nur wenig in seinen Schilderungen zu hören. Meisterhaft gelingt es ihm, eine Parodie der Alltäglichkeit zu kreieren.
Zwischen den Vorträgen fütterte uns Programmleiter ToM mit umfangreichen, mühselig recherchierten Fakten rund um das Osterfest. Schon das Finden des Ostertermins war für die Menschheit kein leichtes Unterfangen: Frühlingsanfang, Vollmond, drei Kalender … es ist halt kompliziert.
Als Nächstes gibt es eine Versteigerung, was mich überrascht, denn mit diesem Programmpunkt hätte ich bei einer Lesebühne nicht gerechnet. Auch nicht mit dem, was passierte: Zu ersteigern gab es eine Plastiktüte. Ganze 15 (in Worten: fünfzehn) Euro brachte sie ein! So wertvoll war sie aber nur, weil sie sich als Unikat herausstellte: Es war eine Tüte der Kaufhauskette Hertie, welche damit Berlins Olympiabewerbung unterstützte. Es hat bekanntlich nicht gepklappt. Hertie gehört inzwischen Karstadt, Karstadt ist inzwischen einmal pleite gewesen und aus Olympia Berlin ist bekanntlich auch nichts geworden. Die Ersteigerin bewies also wahre Liebe zu Nostalgie.
Bevor es in die Pause ging, spielte die Band Two Oceans zwei Lieder. Eine nachdenkliche Stimmung legt sich auf mich, die die vorangegangen Worte aber erstaunlich gut unterstützen.
In der Pause gibt es Kuchen, Bier und Bücher und Gespräche über das eben Gehörte. Ich bin erstaunt, wie schnell die Menschen in diesem Café ins Gespräch kommen.
Zu Beginn des zweiten Teils verschafft sich Marion Alexa Müller Gehör mit ihrer Kurzgeschichte „Survival of the fittest“, die von hungernden Häschen und einem unemanzipierten Bunny erzählt. Passt also auch zum osterhaften Monatsthema.
„Irgendwann ankommen oder überhaupt ankommen?“, fragt sich Robert Rescue in seinem zweiten Text und lässt uns an seiner kurzweiligen Erfahrung als Steward teilhaben. Seine Erlebnisse bestätigten ihn darin – mit der Fluglinie „AirBerlin“ wäre ihm das alles nicht passiert. Aber die Geschichte hat ein Happy End und endet mit dem Hauch von Heimat, der ihn umfängt, wenn er in Berlin ankommt. Two Oceans lässt den Abend mit gefühlvoller Musik ausklingen. Die beiden sind so beeindruckend, dass ihre CDs alle verkauft werden. Bei diesen handelt es sich ebenfalls um Unikate, da die Band sie einzeln und von Hand mit floralen Mustern verziert.
Auch nachdem ToM den Abend abmoderiert, verweilt das Publikum noch. Es wird gelacht, sich kennengelernt und Anekdoten erzählt. Jeder scheint zu wissen, was Robert Rescue mit dem Hauch der Heimat meint, den er in seinem Text beschrieb. Auch an diesem Abend ist dieser unter den Leuten zu spüren. Viele versichern, auch nächstes Mal wieder dabei zu sein. Ich ganz bestimmt auch.
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Janina Jung