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Berliner Lesebühnen: Brutusmörder

Brutusmörder

Jeden letzten Dienstag ab 21:00 Uhr.

Wenn der lauteste Applaus aus der Autorenecke selbst kommt, ist das nicht zwingend ein schlechtes Zeichen. Vielleicht sitzt das Publikum einfach zu bequem, um frenetischen Applaus zu spenden (nicht umsonst haben Staatstheater steife Sitze!). Vielleicht sind für gewisse Lärmschwellen auch schlicht zu wenig Leute anwesend. Im „Ori“ ist beides der Fall: Knapp ein Dutzend Zuhörer rekelt sich in den gepolsterten Sesseln, die Kneipe ist klein und behaglich. Vorne steht ein kleiner Tisch mit Leselampe, daneben ein Mikrofon, das aber kaum einer benutzt. Es geht schließlich auch ohne – und wie!

„Die Brutusmörder“ ist nach eigenen Worten „die einzige Weddinger Lesebühne, die nicht im Wedding liest“ (was zugegebenermaßen verärgert, wenn man im selbigen wohnt und ohne ersichtlichen Grund nach Neukölln fahren muss). Sie besteht aus den Autoren Johanna von Stülpnagel, Agnieszka Debska, Georg Weisfeld, der diesmal abwesenden Saskia Jaja sowie Michael-André Werner. Letzterer ist verantwortlich für An- und Abmoderation, beides zieht sich. Man müsse ihn in der Regel vom Mikro fortreißen, gibt der Autor zu – um anschließend noch ein paar Minuten aus dem Nähkästchen zu plaudern. Dafür ist das Programm selbst prägnant und vor allem breitgefächert: Weisfeld sorgt mit geistreichem Humor für Lacher, Von Stülpnagel sinniert latent aggressiv über Web-Foren und Teebeutelsprüche, Werner spendiert klassische Lesebühnenkost und Debska rundet mit nachdenklich-atmosphärischen Texten (und einer Stimme, die unter die Haut geht) ab. So viel Abwechslung auf so wenig Zeit und Raum ist selten.

Dazu gesellt sich an diesem Abend Micha Ebeling und spielt Hang: ein neumodisches Musikinstrument, das aussieht, als hätte man zwei Wok-Pfannen aneinandergeschweißt, und das auf Anschlag sphärische Töne in Richtung eines Xylophons von sich gibt. Die ein oder andere Frage zum Instrument wird direkt beantwortet, das Programm kann warten. Die Stimmung im Publikum ist angenehm locker, aber unentwegt aufmerksam.

Schade, dass die herrlichen Sessel so spärlich besetzt sind. Denn eigentlich ist bei den „Brutusmördern“ wirklich für jeden etwas dabei.

Paul Waidelich

Foto: Michael-André Werner

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