Jeden 2. Donnerstag ab 20:15 Uhr.
Der winzige Kinosaal liegt im Halbdunkel. Während die letzten Zuschauer vergeblich nach freien Sitzen Ausschau halten, haben die Autoren längst Platz genommen an einem kleinen Rundtisch und mustern die Nachzügler belustigt bis ungnädig. Auf der scharlachroten Tischdecke steht eine kleine Lampe, die einzig nennenswerte Lichtquelle im ganz in Rot und Schwarz gehaltenen Saal der „Z-Bar“, wo gelegentlich auch Filmvorführungen stattfinden. Irgendwann ergreift Christian von Aster, einer der drei „Stirnhirnhinterzimmer“-Autoren das Wort: Ein Schwall souveräner Anmoderation ergießt sich über das Publikum, unter dem auch die letzten Nachzügler wortwörtlich zu Boden gehen. Es kann losgehen.
Das „Stirnhirnhinterzimmer“ besteht aus den Autoren Boris Koch, Markolf Hoffmann sowie besagtem Von Aster. Dazu gesellt sich jeweils ein Gast pro Lesung, die Monat für Monat einem anderen Thema unterliegt, das die Autoren reihum auswählen, um sich gegenseitig das Leben schwer zu machen: Vorschläge wie „Rote Nasen unter der Sonne Mexicos“ oder „Die Nacht der reimenden Leichen“ sind einkalkulierte Kollateralschäden. Was die drei Schriftsteller offenkundig vereint, ist ein Hang zur Komik und abgedrehten Geschichten sowie ein sportlich-freundschaftlicher Ehrgeiz, mit der eigenen Geschichte stets noch einen draufzusetzen.
Es geht um die Show, die Tischlampe wird zum Spotlight, in dem die Autoren ihre Geschichten und ihre Schlagfertigkeit zum Besten geben. Boris Koch ist auf der Frankfurter Buchmesse, glänzt aber dennoch durch einen per Mail eingebrachten Bericht über das Gefühl, „endlich einmal nicht mehr von Literaten zweiter Klasse umgeben zu sein“, und lässt es sich nicht nehmen, das diesmalige Thema, „Sirup vom Feinsten“ unter Beschuss zu nehmen. Nicht, dass es die Autoren vor Ort allzu genau damit nehmen würden. Dennoch glänzen alle Geschichten entweder durch handwerkliche Perfektion oder durch beeindruckenden Ideenreichtum, im besten Falle durch beides. Die Vortragsweise ist dynamisch und geeignet, über die (seltenen) weniger innovativen Texte hinwegzutrösten. Auch wenn alle Lesenden sich in Frisur, Brille und Bart gleichen, ergänzen sich dabei die verschiedenen Gemüter: Aster als demonstrativer Showmaster, Hoffmann etwas zurückhaltender – und Gastautor Uwe Schimunek setzt in Leipziger Mundart, was Fantasie betrifft, den Höhepunkt des Abends: Der eigens herangezüchtete Klon eines Musikproduzenten soll als Leichen-Dummy für die Tourausfall-Versicherung herhalten.
Vor allem in solchen Situationen ist die Stimmung im Publikum ausgezeichnet. Es bekommt für sein Geld etwas geboten: Großes literarisches Kino auf kleiner Bühne.
Paul Waidelich