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Die Mainzer Minipressen-Messe

“Auf einer Kugel sind alle Punkte oben”

Die 20. Mainzer Minipresse, die von Donnerstag, den 21 Mai, bis zum Sonntag am Rheinufer stattfand, warb mit großen Worten – 360 Aussteller aus mehr als 15 Ländern, 10.000 Besucher, größter Handelsplatz für Kleinverlagsbücher und künstlerische Pressendrucke. Seminare für den verlegerischen Nachwuchs wurden genauso angepriesen, wie Workshops von Fachleuten zu brandaktuellen Themen. Die Minipressen-Messe biete unter anderem mit ihrem Angebot Themen, die sich erst in kommender Zeit als Trends erweisen, wie z.B. im Bereich Multimedia, Hörbuch oder Internet.

Der Gedanke hinter dieser Messe für Kleinverlage und Handpressen ist wirklich hervorragend: Eine Messe für jene, denen der kommerzielle Buchhandel wenig bis gar keine Aufmerksamkeit schenkt. Das Konzept klang vielversprechend, und wir erhofften uns nicht nur scharenweise neue Periplaneta-Bücher-Freunde zu gewinnen, sondern auch neue Kontakte zu bibliophilen Institutionen, Vertretern, Auslieferern, Autoren und anderen Kleinverlagen zu knüpfen…

Und so packten wir den Kofferraum mit Bücherkisten, Flyern, Lampen und Multimediasessel voll und nahmen den Anfahrtsweg von 550 km – trotz Schlafmangels wegen des laufenden Umzugs in unsere neuen Räume – gerne auf uns. Zwar kam die Frau unseres Navigationssystems wegen der ganzen Mainzer Einbahnstraßen des Öfteren ins Stottern, wir waren aber dennoch pünktlich bei der Messe und das Schicksal nahm seinen Lauf.

Bei 28°C im Schatten reihten sich in zwei besonnten Bierzelten ein Tisch an den nächsten und über allem hing der Charme eines mittelgroßen Flohmarkts: kein Strom, keine Möglichkeit, Plakate aufzuhängen, geschweige denn einen Hörbuchsessel zwischen die Reihen zu quetschen, ein Schnapsglas Kaffee-Plörre für 1,50 und neben den Zelten ein kleiner Klo-Container. Dass für uns nur ein Stuhl am Stand zur Verfügung stand, war wohl von den Organisatoren extrem hintersinnig durchdacht: Rechts von uns war ein christlicher Esoterik Verlag, Tom und ich spielten um den einen Stuhl „Reise nach Jerusalem“ und links von uns gab es Kommunikationsspiele. Damit waren die verbindenden Gemeinsamkeiten dann aber auch erschöpft und von einer sinnvollen Bündelung der einzelnen Sparten war die Aufteilung der Stände weit entfernt.

Zudem gab es den nächsten gebührenfreien Parkplatz auch für die Aussteller nur hinter der Stadtgrenze, weshalb viele das Mainzer Parkhaus für nur 14 Euro am Tag finanziell unterstützten. Sicherlich hofften sie, diese Ausgaben mit den Buchverkäufen zu refinanzieren. Die Messe war schließlich vom Publikum gut besucht, wenn auch nicht von bibliophilen Institutionen, Vertretern, Auslieferern und Autoren.

Doch spätestens nach drei Tagen konnte man sich die Situation nicht mehr schönreden und die Mundwinkel der Kleinverleger hingen bis auf ihre schier unverkäuflichen Bücher. Kaum einer der Besucher, der durch die Reihen schlenderte, wollte ein Buch auch nur anfassen. Besonders bemitleidenswert war ein gegenüberliegender Stand mit Kinderbüchern – die Gratislollis und Luftballons fanden reißenden Absatz, und trotzdem wurde nicht ein einziges Mal (!) die Brieftasche gezückt. Es erschien uns, als würden die Besucher die Zelte als zu durchquerendes Hindernis auf ihrem Spaziergang entlang des Rheinufers betrachten. Unsere “Gliedermaßstäbe” und “Lesen macht Sexy”- Schaben waren der absolute Renner- und so konnten wir zumindest eine stolze Anzahl von Flyern in Mainzer Handtaschen wandern lassen.
Als dann einer unserer Standnachbarn aus Verzweiflung 50% auf alle seine Bücher über die Lautsprecher ausrufen ließ und wirklich NIEMAND kam, packten wir unsere sieben Sachen und fuhren nach Hause. Zudem flohen wir vor dem Neid der anderen Kleinverleger, hatten wir doch an den drei Tagen – wegen unseres permanenten guten Zuredens und natürlich wegen unserer tollen Titel unserer tollen Autoren – immerhin zehn Bücher verkauft und somit die Parkgebühren locker wieder drin (zumal wir am Samstag durch extrem sorgfältiges und bedachtes Wiedereinpacken die Be- und Entladezone in Anspruch nehmen konnten, ohne abgeschleppt zu werden).

Wussten Sie übrigens, dass das ING am Ende von „Marketing“ sich von „Ingenieur“ ableitet? Ich auch nicht. Aber der Bauingenieur, der das Seminar „Marketing für Kleinverlage“ hielt und auf diese erstaunliche Parallele hinwies, schien felsenfest davon überzeugt. Neben nützlichen Tipps wie „Ändern Sie Ihre Sichtweise – Auf einer Kugel sind alle Punkte oben“ „Gehen Sie doch mal auf den Wochenmarkt“ und „Stehen Sie hinter Ihrem Produkt“ machte er noch sehr viel, noch sehr, sehr, sehr viel Marketing für seine eigenen Bücher. Die Frage, was ein Kleinverlag Sinnvolles tun kann, um von der breiten Öffentlichkeit oder den Buchhändlern wahrgenommen zu werden, blieb dann doch unbeantwortet.

Sinn und Zweck einer Messe ist nicht unbedingt der Verkauf. Viel wichtiger sind die Synergien, die sich durch die verschiedenen anwesenden Sparten ergeben können. Wenn allerdings nur Endverkäufer auf die wenigen Buchinteressenten lauern und sich gegenseitig aus lauter Verzweiflung und Langeweile nicht die Butter auf dem trocknen Brötchen gönnen, dann können Synergien gar nicht erst entstehen. Die Mainzer Minipressen Messe hat nicht nur ihre eigene Ankündigung widerlegt, sondern laut Messe-Definition auch völlig ihren Sinn verfehlt.

Nichtsdestotrotz hatten wir unseren Spaß, da wir mit netten „Leidensgenossen“ unseren kärglichen Platz teilen durften, die genau wie wir den Humor nicht verloren und das Beste aus der Situation machten. Tom blieb mit durchschnittlich 1,5 cholerischen Anfällen pro Tag in anbetracht der Situation erstaunlich ruhig. O-Ton am Messe- Info- Stand:
„Junge Frau, Sie sperren uns hier acht Stunden in ein Gewächshaus ein und es gibt noch nicht mal fließendes Wasser. Haben Sie schon mal eine Tomatenpflanze gesehen, die für den Liter Wasser 4,50 zahlt?“

Von Marion Alexa Müller

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