Die ganze Wahrheit über Tierverehrung.
Haben Sie schon einmal Ihre Katze berührt und plötzlich waren die Kopfschmerzen wie davongeweht? Wenn das passiert und Sie glauben, dass nur Ihre Katze das kann und Ihr Stubentiger besser als Aspirin funktioniert, sollten Sie sobald wie möglich einen Altar organisieren und ein paar Palmenwedel heranschaffen. Denn dann ist Ihr Vieh heilig. Aber machen Sie sich nichts draus, sowas kommt in den besten Kulturen vor.
In der Frühzeit gab es Menschen, die nicht nur tierlieb waren, sondern die Tiere im wahrsten Sinne des Wortes vergötterten. Sie verehrten leibhaftige „Heilige Tiere“ oder beteten ihr Bildnis an. In der Zoolatrie (so der diesbezügliche, eher seltsame Fachausdruck) kann man zwei Formen unterscheiden: die Verehrung von tierischen oder von tiermenschlichen Göttern. (Gerade letztgenannte Mischwesen haben oft die neuzeitliche Phantasie angeregt und bei Halbwissenschaftlern die Frage aufgeworfen, ob die Erschaffung von genmanipulierten Chimären nicht eine medizinische Erfindung der frühen Hochkulturen gewesen sein könnten – was dann allerdings wieder völlig am „Göttlichen“ vorbei geht…)
In der frühen Hochkultur des alten Ägyptens wären Sie als Katzenliebhaber jedenfalls sehr angesehen gewesen. Aber die Ägypter haben nicht nur Katzen verehrt. Ganz oben im Ranking waren die wirklichen Bestien Nordafrikas, die Krokodile. Die Strategie war folgende: Wenn du dich von einem Tier bedroht fühlst, mache es einfach zu deinem Gott. In der Hoffnung, es durch Opfer zu besänftigen, kannst du es womöglich sogar zu deinem Freund machen und seine Macht missbrauchen. Klingt zwar nach einem bekannten Wirtschaftssystem, aber die Leute konnten damit besser leben als in Angst vor zufälligen Krokodilattacken. Durch göttlichen Zorn zu sterben ist zweifelsfrei ehrenvoller als in Form einer Mahlzeit.
Der klassische Altägypter erklärte sich das so: Sobek, der Krokodilgott der Ägypter, fuhr wie alle anderen launischen Götter auch, in „Exemplare seiner Art“, lebte so seine animalische Ader aus und riss nach Belieben den ein oder anderen unvorsichtigen Nil-Badegast. Später galt das Krokodil als Verkörperung einer ihm innewohnenden Gottheit und stand damit unter Schutz. Deshalb wurde solch ein Reptil auch prompt nach dem Tod mit der gleicher Hingabe wie bei den Pharaonen mumifiziert.
Mitunter verschmilzt auch die Tier- mit der Ahnenverehrung: Im Tier wird die Seele eines angesehenen und mit Weisheit gesegneten Verwandten wiedergeboren. Dieser Totemismus erfreut sich unter Naturvölkern immer noch sehr großer Beliebtheit. In bestimmten Jägerkulturen ging man immer von einer engen mystischen Verbindung zwischen Tier und Mensch aus. Auf der Grundlage des Animalismus entwickelten sich etwa Vorstellungen von tierischen Schutzgeistern oder Karfttieren.
Auch bei uns hat die Tierverehrung eine gewisse Tradition. Bei den Germanen wurden ebenfalls manche Tiere um Rat gefragt. Bären konnte man zum Beispiel bei Gewichtsproblemen belangen, da er ein Meister des An- und Abspeckens war. Oder die Tiere wurden bei Orakeln benutzt (leider mussten sie dafür meistens tot sein, damit man in ihren Eingeweiden lesen konnte). Und Namen wie Bernhard oder Wolfgang vergab man, um die Kraft bestimmter Tiere seinen Kindern zu verleihen.
Auch heute noch gibt es heilige Tiere, sowohl bei Natur- als auch bei Kulturvölkern. Meist werden sie verehrt, weil die Menschen finden, dass ihnen einige Tiere an Kraft, Mut und Schlauheit überlegen sind. Im Hinduismus zum Beispiel sind heilige Tiere Normalität. Neben der Kuh wird auch der Elefant, die Ratte und die Schlange verehrt. In manchen Gegenden des Landes gilt der Affe als DAS heilige Tier schlechthin. Oder in China: Dort winkt die goldene Winke-Katze das Glück ins Haus. Und in einer Geschichte aus den afrikanisch inspirierten „Ziegenmärchen“ von Christian von Aster fungiert eine Placebo-Ziege als Fokus für die Wünsche der Menschen, die von überall herkommen, um Wunder zu erfahren. Genau damit funktioniert diese Placebo-Ziege mindestens so gut, wie Ihre Aspirin-Katze.
Sie sehen also, Ihre Katze ist keineswegs ein Einzelfall.
PS: Zum Abschluss gibt es noch eine kleine Anekdote aus der „Parapsychologie“:
Delphin-Locken
Nach einem Bericht über die Gilbert-Inseln (Mikronesien) gibt es dort Menschen, die die Gabe besitzen, Delphine anzulocken: Im beschriebenen Fall arbeitete (Meditation, Trance?) der Locker in einer Hütte. Nach mehreren Stunden sprang er heraus und versicherte, dass jetzt unsere Freunde aus dem Westen kommen würden. Tatsächlich kamen große Scharen von Delphinen, ließen sich über das seichte Wasser hinweg zum Ufer tragen, wurden dort mit Girlanden geschmückt und dann geschlachtet.
Quelle: http://sphinx-suche.de/lexpara/delphin.htm
Ob den verehrten und mit Girlanden geschmückten Tieren das gefallen hat, mag zu bezweifeln sein. Es gibt eben auch immer irgendwo einen Haken an der Sache mit der Verehrung….
Johannes Schönfeld