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Verlagskulturen: Matthes & Seitz Berlin

Was “Randgruppe” wirklich bedeutet

Die Literaturwerkstatt Berlin stellte am 09.04.08 im Rahmen ihrer Programmreihe „Verlagskulturen“ wieder einmal einen Verlag der interessierten Öffentlichkeit vor. Der Fokus dieser Gesprächsrunden liegt auf den sogenannten Kleinverlagen. Das sind jene Verlage, die – im Gegensatz zu einem Geschäftsführerverlag – nur eine Verlegerpersönlichkeit an der Spitze haben, welche in geradezu schizophrener Personalunion für alles verantwortlich ist.
Hmm, das kennen wir irgendwie …

Vorgestellt wurde der Verlag Matthes & Seitz Berlin, an dessen Spitze „der manische Büchermacher“ Andreas Rötzer steht. Zwei seiner Autoren waren ebenfalls geladen: Sebastian Kleinschmidt und Michael Roes, die zur Veranschaulichung der Ausrichtung des Programms den circa 50 Gästen aus ihren Werken vorlesen sollten.
Es ist ja schon ganz interessant, einem Kleinverlag, der auch noch gern als „letzter intellektueller Verlag Deutschlands“ betitelt wird, mal über die Schulter zu sehen. Wie hat Rötzer den seit 1977 bestehenden Verlag in nur vier Jahren zu einem angesehenen Verlag gemacht? Wie ist er organisiert, was hat der Verleger eigentlich für ein Konzept? Wie ist die Auflagenhöhe, wie wird das alles finanziert? Und … „Ist Intellektualität eigentlich noch sexy?“ Da fragt man sich doch eher, ob sie das überhaupt jemals war. Sexappeal hat etwas mit dem Bauchgefühl zu tun und nichts mit dem Geist. Dinge und Menschen lassen sich nicht schöndenken, höchstens ausgiebig schönreden.

„Der Verlag erzieht den Verleger“ meinte Rötzer. Das sieht man ihm irgendwie auch an, dem Prototypen des jungen intellektuellen Literaten: Braune Cordhose, schwarzes Sakko, Brille und viel, sehr viel Intellektualität. So viel Intellektualität ist erfahrungsgemäß hochgradig ansteckend. Da sich meistens keiner der Anwesenden eine Blöße geben will, geben alle vor, alles zu wissen und allem folgen zu können. Die Intellektualität könnte einem ja unterstellen, bei der Intellektualisierung abwesend gewesen zu sein.

So richtig aus dem Nähkästchen plaudern wollte der junge Verlagschef dann aber doch nicht- und das, obwohl er sich selbst nicht in der Konkurrenz zu anderen Verlagen sieht. Denn dieser Verlag bediene, wie sein Chef, angespornt durch eine beeindruckte, kompetente und äußerst gewitzte Moderatorin, resümieren konnte, eine selbst definierte intellektuelle Randgruppe mit zudem nicht massenkompatiblen Büchern. Was das bedeutet, demonstrierten dann eindrucksvoll die beiden anwesenden Autoren mit dezidiert kinnkratzwürdigen Texten. Da ich im weiteren Verlauf der Veranstaltung gelernt habe, dass Kritik nur etwas mit jugendlichem Überschwang zu tun hat, halte ich mich in diesem Fall auch vornehm zurück.

Verlagskulturen Trotzdem war es sehr interessant, einmal einen Verlag kennenzulernen, der in erster Linie frankophile, philosophische oder nonkonforme Literatur herausgibt. Welche Titel im einzelnen darunter fallen, kann man auf der Verlagshomepage entdecken. Weitere Informationen zu verschiedenen Veranstaltungsreihen der Literaturwerkstatt Berlin findet man unter www.literaturwerkstatt.org.

Von Marion Alexa Müller

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