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Mein inneres Kind mag Krokodile

Götz Hindelang - periplaneta

Ein Interview mit dem Autor Götz Hindelang.

Periplaneta hat ein unerklärliches Faible für Tiergedichte. Als uns das sehr ergötzliche Manuskript mit dem Titel Die taube Taube hört es nicht, was der Tauber zu ihr spricht auf den Lektoratstisch flatterte, mussten wir unseren Entschluss revidieren, keine weiteren Lyrikbände zu verlegen. Wobei ich gleich anmerken muss, dass es in den scharfsinnigen Gereimtheiten von Götz Hindelang nicht nur um Tiere geht, auch wenn er selbst ein ziemlich schräger Vogel ist. Denn der pensionierte Sprachwissenschaftler ist ebenso leidenschaftlich Indien-Reisender wie auch Zyniker. Das Interview mit ihm fiel dementsprechen humorvoll aus:

Was meinen Sie als Fachmann: Welches Ereignis hat die Menschheit dazu bewegt, die Sprache zu erfinden? Schließlich kommen anscheinend alle anderen Existenzformen der Erde hervorragend ohne klar.

G.H.: Es ehrt mich, dass Sie mir eine Antwort auf eine solche anthropologische Grundfrage zutrauen. Aber sie liegt außerhalb der Themen, mit denen ich mich wissenschaftlich beschäftigt habe. Als spekulierender Laie habe ich allerdings die Theorie, dass sich die Sprache aus postkoitalem Wohlfühlgrunzen entwickelt hat. Zu hören waren Klänge wie WoW, Whoa oder Uuuahhh, usw. Da sich diese Laute bei den einzelnen Exemplaren der Gattung Australopithecus charakteristisch voneinander unterschieden haben, wurde die Nachahmung dieser Geräusche dazu verwendet, den Partner des Vortages für eine Wiederholung der Paarung hinter den jeweiligen Gebüschen hervorzulocken. So entstanden die Eigennamen. Der Rest kam dann von selbst. Oder so.

Wer ist Ihr Lieblingsdichter?

G.H.: Ein Kandidat für die Short List wäre Heinz Erhardt, der immerhin so bedeutende Sachen gesagt hat wie: „Glauben Sie nicht alles, was Sie denken!“ Mich erfreuen die Autoren der „Neuen Frankfurter Schule“, Christian Morgenstern, Joachim Ringelnatz oder der wunderbare Eugen Roth. Aber der herausragende Verfasser deutschsprachiger Prosa des letzten Jahrhunderts ist für mich Franz Kafka.

Das Christentum wird von Ihnen besonders hart kritisiert. Wieso?

G.H.: Wenn Sie eine ernsthafte Antwort auf die Frage wollen, empfehle ich die Bücher von Karlheinz Deschner. Das Christentum, das ich sehr genau studiert habe, gibt auf alle spirituell relevanten Fragen irrwitzig primitive Antworten. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn es in Deutschland eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche gäbe. Die Kirchen genießen aber aufgrund von über Jahrhunderte hinweg erpressten Privilegien einen nicht zu rechtfertigenden Einfluss auf Staat und Gesellschaft. Und ich stehe nicht nur der katholischen Kirche kritisch gegenüber. Eine Glaubensgemeinschaft, deren Ober-Guru Luther erklärt hat, es gehöre zur Christenpflicht, Brandbeschleuniger in brennende Synagogen zu werfen, sollte sich erst mal die nächsten 500 Jahre für ihren Gründer schämen und ihre Berechtigung als moralische Instanz und Vermittler von frohen Botschaften grundsätzlich in Frage stellen.

Das Tier, das in Ihrem Buch am meisten vorkommt, ist das Krokodil. Was hat es damit auf sich?

G.H.: Mein inneres Kind mag Krokodile, wie alle Kinder Dinos und Saurier mögen. Vielleicht hat das ja mit dem sog. Reptilien-Hirn zu tun, dem Hirnstamm, wo alle wirklich wichtige Dinge wie Herzschlag und Verdauung geregelt werden. Für das Krokodil spricht auch, dass es sich so nett auf „Spiel“, „Ziel“ „stabil“ und „viel“ reimt, was man z.B. von „Spaniel“ nicht sagen kann, das reimt sich nur auf „Daniel“.

Sie reisen lange und viel. Warum sind Sie so gerne weg von zuhause?

G.H.: Ich bin kein großer Fan von Deutschland. In anderen Ländern ist das Wetter besser und die Menschen sind freundlicher. Außerdem erscheint es mir sinnvoll, Abstand zu jener Gesellschaft zu gewinnen, mit deren Glaubenssätzen und Werten man in der Kindheit indoktriniert wurde. Wenn man herausfinden will, wer man ist, sollte man sich in seinem Herkunftsland so wenig wie möglich aufhalten. Denn dann ist die Gefahr des Rückfalls geringer.

Auf einer Ihrer Indienreisen legten Sie sich das Pseudonym „Prem Arpana“ zu. Wie ist das entstanden?

G.H.: „Prem“ heißt auf Hindi „Liebe“. Arpan bedeutet so viel wie „Hingabe“ oder „etwas als Geschenk präsentieren“. Der Name stammt von Osho, früher Bhagwan. Damals bekamen jene Leute den Vornamen Prem zugeteilt, denen man es an ihrer Nasenspitze ablesen konnte, dass sie mit Beziehungen nicht klar kamen. Und Arpana weist auf ein besonders störrisches Individuum hin, das an seinen persönlichen Vorlieben und Meinungen auf jeden Fall festhalten will. Keine Frage: Volltreffer!

Wie unterscheiden sich Prem Arpana und Götz Hindelang?

G.H.: Beide sind Erfindungen; beide existieren nicht. Sie sind fiktive Charaktere wie Hans im Glück oder Kara Ben Nemsi Effendi.

Wie erlangt man denn Ihrer Meinung nach Erleuchtung?

G.H.: Ich bin ja nur eine einfache Reimigungskraft, aber Prem Arpana würde vielleicht sagen: „Erleuchtung kann man nicht erlangen, weil man sie immer schon hat. Man muss nur aufhören, dem fiktiven Charakter ständig Nahrung zu geben, mit dem zu identifizieren man uns beigebracht hat.“

Meditation - periplaneta

Mal angenommen, Sie sitzen unter einem Apfelbaum und meditieren. Kurz vor der allumfassenden Erleuchtung erreicht Sie die Nachricht, dass Ihr Buch über Nacht zu Bestseller wurde. Wie reagieren Sie?

G.H.: Also, erstens sitze ich nicht beim Meditieren, sondern ich liege. Zweitens kann man sich bei so grundlegenden Fragen immer an den Merksätzen des großen Erich Honecker orientieren: „Erleuchtungskraft in ihrem Lauf, hält werder Ochs noch Esel auf.“ Mit anderen Worten: Das endgültige Verschwinden der Persönlichkeit kann durch Erfolg oder Nichterfolg weder beschleunigt noch gehindert werden. Und das ist gut so.

Vielen Dank für das Interview.

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