Ein Interview mit dem Bühnenpoeten Matthias Niklas.
Matthias Niklas ist der Multifunktionstisch unter den Bühnenpoeten: Er ist nicht nur Slampoet, sondern auch Stiefvater dreier Kinder, Lehrer, Übersetzer, Kulturfetischist, Kritiker, ein Rheinländer in Berlin und trotzdem noch ein äußerst heller Kopf. Sprachlich äußerst virtuos bringt er Witz in solch ernste Themen wie den Umgang mit Nazis oder Sexismus, das Sterben, die Flüchtlingsdebatte oder die Hindukusch-Frage. Intelligente Pointen, entlarvende Fragestellungen, nicht absehbare Wendungen und eine humanistische Grundhaltung lassen seine Texte aus dem emotionsbedröppelten Einheitsbrei der Slam-Bühnentexte positiv herausstechen.
Bei Periplaneta veröffentlichte er seine Textsammlung Laut Los Zweifeln in der Edition MundWerk und so baten wir ihn zu einem Interview:
In Laut Los Zweifeln findest Du in jedem Lebensbereich etwas, an dem man zweifeln kann. Woran (ver-)zweifelst Du denn momentan am meisten?
Verzweifeln? Daran, nicht mehr zu rauchen. Hält sich aber in Grenzen. Verzweiflung ist – genau wie Langeweile – eines dieser Gefühle, mit denen ich zum Glück nicht so viel zu tun habe. Ich zweifle lieber. Für mich ist „Zweifel“ ein hübscher Überbegriff für eine Grundhaltung, der besser klingt als „Skepsis“. „Ständig skeptisch“ wäre auch nicht ganz so rund als Buchtitel gewesen.
Im Interview von 2014 sagtest Du, dass eine Welt voller Harmonie für Dich beängstigend sei. Wie empfindest Du unsere derzeit eher unharmonische Welt?
Bedrückend, aber generell empfinde ich Hoffnung. Ich bin ein nahezu unerschütterlicher Kulturoptimist. Ich will bestimmt nicht behaupten, dass alles toll ist, ganz im Gegenteil, aber ich will auch nie den Blick dafür verlieren, dass vieles besser ist, als es je zuvor war. Entwicklungen sind entscheidender als Momentaufnahmen. Was nicht heißt, dass viele Momentaufnahmen nicht sehr düster aussehen.
Woran liegt es Deiner Meinung nach, dass es so läuft, wie es gerade läuft?
Ich glaube nicht an Historizismen, aber es war schon oft so, dass sich die herrschenden Kasten aufgebäumt haben, wenn sie im Sterben lagen. Was wir gerade erleben, ist das Sterben einer der größten herrschenden Kasten: die der alten weißen Männer. Nicht, dass sie alt sein müssen, oder weiß, oder Männer. Aber die Struktur dahinter stirbt, zu langsam für meinen Geschmack, aber zu schnell für die, die an sie gewöhnt sind. Und das müssen nicht einmal Profiteure dieser Struktur sein, oder deren Verfechter. Auch viele, die sich für links halten, fallen in klassisch tribalistische Denkmuster, weil sie bequem und vor allem vertraut sind.
Wenn Du einen Roman schreiben würdest, wovon würde er handeln?
Ein Roman von mir wäre fast immer Alternate History und mehr oder weniger in der Gegenwart angesiedelt. Welten, in denen vieles, aber nicht alles so ist, wie wir es kennen. Wenn ich mir aus dem halben Dutzend Ideen und unfertigen Manuskripten ein Thema aussuchen müsste, dann ginge es um Tintenfische.
Wie löst du das Problem des Genderns in Alltagsgesprächen?
Dafür ist es längst zu spät, die sind von Anfang an mittendrin in dieser Welt, und diese bereitet sie – im Guten wie im Schlechten – mit sich auf sich selber vor. Ich versuche, ihnen Liebe, Hoffnung und Vertrauen mitzugeben und ihnen beizubringen, das zu sehen, was da ist, und nicht das, was man gerne sehen möchte.
Wie bereitest Du als Vater Deine Kinder auf diese Welt vor?
Dafür ist es längst zu spät, die sind von Anfang an mittendrin in dieser Welt, und diese bereitet sie – im Guten wie im Schlechten – mit sich auf sich selber vor. Ich versuche, ihnen Liebe, Hoffnung und Vertrauen mitzugeben und ihnen beizubringen, das zu sehen, was da ist, und nicht das, was man gerne sehen möchte.
Du arbeitest als Übersetzer. Welches englische Wort fällt Dir ein, für das es im Deutschen kein Pendant gibt?
Positiv kommt mir als erstes „Serendipity“ in den Sinn, dicht gefolgt von „Susurration“. Rein beruflich kann ich „Insight“ am wenigsten leiden, ein Wort, das immer nur so tut, als wäre es leicht zu übersetzen, sich aber am Ende dann doch nie richtig entscheiden kann, ob es einen Erkenntnisgewinn mit sich bringt oder nicht. Als Sprachdienstleister fühle ich mich allerdings genötigt zu betonen, dass fast alle Wörter in anderen Sprachen etwas ausdrücken, für das es keine absolut adäquate Entsprechung gibt.
Wenn Du dir ein SciFi-Universum aussuchen könntest, in welchem würdest Du leben wollen und warum?
“The Culture” von Iain M. Banks. Definitiv die Frage, über die ich am wenigsten nachdenken musste. Das Warum ist deutlich schwerer zu beantworten – diejenigen, die “The Culture” kennen, wissen warum, und die anderen sollten es dringend kennenlernen. Am besten auf Englisch, denn „Mind“ ist auch so ein Wort, das nur so tut, als wäre es leicht zu übersetzen.
Vielen Dank für Deine Zeit.
Das Interview führte Swantje Niemann.