Ein Interview mit Thias Bene.
Auch heute gibt es sie noch, die typischen Autoren, die ihre galante Mischung aus Vergangenheit-bewältigen, Welt-retten und Märchen-erzählen leben, atmen und, ja, auch ein bisschen zur Schau stellen. In seinen modernen, zuweilen abgründigen Großstadterzählungen adaptiert unser vielversprechender Periplaneta-Neuzugang Thias Bene märchenhafte Motive und versetzt den erdachten Realitäten einen Schuss Morbidität. Seine Protagonisten sind Junkies, Huren und Banker, die getrieben von Sehnsüchten und Ängsten im Leben straucheln und, soviel darf man sicherlich verraten, ziemlich oft sterben. Sarah Strehle sprach mit dem Berliner Autor über innere Wölfe und über die Einsamkeit in Erotikchats.
Deine Geschichten handeln von Kindesmissbrauch, Mobbing, Drogen, Mord und zwischendurch taucht auch immer wieder der böse Wolf auf, der ebenfalls sein Unwesen treibt. Wieso faszinieren dich diese Themen?
Thias Bene: Ich würde nicht zwingend das Wort faszinieren benutzen. Ich glaube, dass jeder Mensch nicht nur einen, sondern viele Wölfe in sich trägt. Wölfe, die einen Mord begehen könnten, oder anderen etwas Böses wollen. Die meisten Menschen sperren diese Wölfe einfach in einen dunklen Keller und vergessen sogar, dass sie da sind. Andere beschäftigen sich mit ihnen und versuchen, sie zu zähmen. Dann kann man nämlich sogar mit ihnen spielen.
Wie sieht dein Spiel mit den Wölfen aus?
TB: Ich schreibe Geschichten, denn dann werde ich zu einer Art Gott. Ich erschaffe Welten, Menschen, Schicksale, ich lenke und beeinflusse sie. Und dann lasse ich den Wolf auf sie los. Er bringt sie um oder treibt sie in den Selbstmord.
Warum? Glaubst du, dass der Tod eine angemessene Bestrafung ist?
TB: Nein, das ist natürlich alles nur ein Spiel. Ich lehne die Todesstrafe und Lynchjustiz ab. Aber genau darin liegt der Reiz beim Schreiben: In meinen Geschichten kann ich Pädophile töten, ohne meine moralischen Pfade verlassen zu müssen.
Wie ist dein Verhältnis zum Tod?
TB: Der Tod und ich haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander. In der Zeit, in der ich Drogen nahm, war der Tod mein ständiger Begleiter. Irgendwann habe ich mich in ihn verliebt und erst sehr viel später verstanden, dass es keine Liebe, sondern das Stockholmsyndrom war. Heute sehen wir uns nur noch sehr selten.
Wenn dir eine gute Fee drei Wünsche gewähren würde, wofür würden sie draufgehen?
TB: Ich würde die Fee wegschicken. Im Allgemeinen vertraue ich Feen nicht, sie sind hinterhältig. Ich hätte viel zu viel Angst, mir etwas zu wünschen, weil ich nicht weiß, was der Preis dafür ist. Angenommen, ich wünsche mir Weltfrieden, vielleicht ist dann der Preis, dass die ganze Welt von einem totalitären Superschurken beherrscht wird?
Bevor du Periplaneta fandest, hattest du ein äußerst bewegtes Leben. Unter anderem hast du für eine deiner vielen Tätigkeiten auch Gebärdensprache gelernt. Was zeichnet die Sprache mit den Händen aus?
TB: Gebärdensprache ist faszinierend. Sie hat die wundervolle Eigenschaft, sehr präzise und facettenreich zu sein. Es gibt Dinge, die man in der Gebärdensprache mit einer einzigen Handbewegung besser auf den Punkt bringen kann als mit 1.000 Wörtern.
Du hast deinen Unterhalt auch mal als Erotikchat-Admin verdient. Wie sieht da der Arbeitsalltag aus?
TB: Man loggt sich in einen Chat ein und schreibt – meistens – mit Männern. Man gibt vor Lena, Tina oder Nina zu sein und denkt sich wilde Fantasien aus.
In dieser Zeit habe ich sehr viel über sexuelle Spielarten gelernt, aber auch über Verzweiflung und Einsamkeit. Denn neben den Männern, die sich durchaus bewusst sind, dass sie nur eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, gibt es auch nicht wenige, die für eine Weile so leben, als würden sie mit Lena, Tina oder Nina tatsächlich eine Beziehung führen.
Wie definierst du die Angst?
TB: Angst ist dein Gegner. Man kann vor ihr kapitulieren oder sie überwinden. Aber nicht immer hat man gewonnen, wenn man die Angst besiegt, und nicht immer verloren, wenn man vor ihr flieht.
Das klingt ein bisschen wie bei Schrödingers Katze. Ist sie deiner Meinung nach tot, lebendig oder doch beides?
TB: Schrödingers tote Katze ist natürlich lebendig, denn wenn sie tot wäre, würde sie ja leben.
Vielen Dank für das Interview.
Sarah Strehle