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Weil mich Wissenssoziologie immer schon interessiert hat

Ein Interview mit Nils Frenzel.

In seinen Texten basht er gern die Spezies, der er angehört, die Studenten. Und auch mal seine Wahlheimat Bayreuth. Doch irgendwie kann man ihm deshalb auch nicht böse sein, auch nicht als Student oder als Wahlheimat. Selbst wenn man Kevin oder Bayreuth heißt, dürfte man bei den manchmal ein bisschen fiesen Geschichten unseres Neuzugangs Nils Frenzel lächelnd einsehen, dass Klischees die unangenehme Eigenschaft aufweisen, meistens zu stimmen. Anlässlich seines neuen Buchs mit CD und Ente haben wir uns mit dem Slam-Poeten, Vorleser und Filmemacher ein bisschen unterhalten.

Nils Frenzel live bei Wortgefecht

In dem vieldiskutierten Text “Bauarbeiter” schimpfst Du über Studenten und glorifizierst den Latzhose tragenden Mann auf der Baustelle. Du studierst „irgendwas mit Medien“. Wieso wurdest du nicht Bauarbeiter?

Nils: Körperliche Arbeit liegt mir nicht so. Ich habe zwei linke Hände und schlafe gern aus. Also optimale Voraussetzungen für ein geisteswissenschaftliches Studium.

In besagtem Text hast du es thematisiert: Die Vorlesungssäle sind überfüllt und viele studieren so kryptische Sachen wie „Wissenssoziologie“ oder andere Fächer, die sie nicht interessieren oder wo es nicht einmal etwas zum Interessieren gibt. Was sollte man deiner Meinung nach ändern? Oder muss man gar nichts ändern?

Nils: Eine große Frage: Es ist wunderbar, dass (fast jeder) das studieren kann, was er will. Allerdings sollte nicht jeder mit Abitur auch zwangsläufig das Gefühl haben, irgendetwas studieren zu müssen. Viele Studienanfänger verwechseln die Uni mit einer Ausbildungseinrichtung. „Und was kann man damit später mal machen?!” ist ja so eine gängige Frage, die man an Infoabenden gestellt bekommt. Mich stört gar nicht so sehr, dass viele etwas studieren was sie vielleicht (noch) nicht interessiert, sondern vielmehr die Annahme, dass wenn man „irgendetwas” studiert, man sich automatisch für ein bestimmtes Berufsfeld qualifiziert. Ich feiere jeden Wissenssoziologie-Studenten, der aus Überzeugung dabei ist und Bock auf Luhmann hat. Aber ich habe auch mal zwei Semester Germanistik studiert. In der Einführungsvorlesung saßen 400 Leute. 400! „Was wollt ihr alle hier?!”, habe ich mich gefragt, bevor ich mich selber gefragt habe, was ich hier eigentlich will. Ich hab dann übrigens abgebrochen. War ‘ne gute Idee.

Deine Großstadtgeschichten fallen überwiegend kritisch aus. Macht die Großstadt die Menschen kaputt?

Nils: Ich glaube, Menschen machen Menschen kaputt. Aber Großstädte haben, neben ihrer großen Anziehungskraft, auch irgendetwas Verstörendes, Unheimliches. Man lebt oft aneinander vorbei, obwohl man sich, zumindest vom Sehen, bereits über Jahre kennt. Es ist ein komischer Zustand. Jeder Einzelne ist ein kleiner Teil eines ganz Großen und schwimmt in einer anonymen grauen Masse mit. Jeder ist für sich.

Nils Frenzel live bei Wortgefecht

Dein Zivildienst scheint viele neue Erkenntnisse mit sich gebracht zu haben. Mittlerweile ist soziales Engagement ja nur noch freiwillig. Findest du, dass jeder diese Erfahrung machen sollte?

Nils: Ja. Man muss sich das so vorstellen: Wenn du acht Jahre lang in einem Gymnasium herumsitzt, mit deinen guterzogenen Kumpels deine Freizeit verbringst, gutes Taschengeld kriegst und außer Liebeskummer keine Probleme hast, ist deine Welt in Ordnung. Aber auch beschränkt. Für junge Leute, die jahrelang im selben Bezirk abgehangen haben, gibt es nichts Besseres, als mal die Seiten zu wechseln und z.B. in einem sozialen Dienst oder irgendwo anders zu arbeiten. Dort findet das echte Leben statt. Da sind mal nicht nur Gymnasiasten. Außerdem ist „richtiges” Arbeiten auch mal ein guter Ausgleich nach Jahren in der Schulzeit.

In deinen Zivildienstgeschichten erzählst du vom plumpen leicht-dümmlichen Kevin, dem ‚Aufreißer’ Bartek und dem Besserwisser Patrick – in welche Schublade wäre Nils einzuordnen?

Nils: In alle Schubladen irgendwie. Außer in die des Aufreißers. Da bin ich dann doch zu sehr Kevin.

Ein Motiv, das in deinen Texten immer wieder auftaucht, ist der Stillstand. Warum empfindest du es als Notwendigkeit, sich immer stetig fortzubewegen?

Nils: Stillstand schränkt ein. Manche Menschen werfen sich ihr halbes Leben lang vor, was sie rückblickend alles falsch gemacht haben. Wo sie heute „hätten stehen können, wenn doch nur …”. Diese Denkweise stört mich, weil es nichts bringt. Ab und zu schwelge ich auch gerne mal in Erinnerungen und denke an Vergangenes. Aber es ist vergangen. Ich habe keine Lust, ständig stehenzubleiben und nach hinten zu sehen. Vorne ist viel interessanter, da weiß man nämlich meist noch nicht, was alles noch so kommt.

Ein Tier, das in deinen Geschichten immer wieder auftaucht, ist ein Elefant. Welches Haustier hättest du gern?

Nils: Elefanten sind schon sehr schöne Tiere, aber als Haustiere dann doch etwas unpraktisch. Ich bin auch großer Schildkrötenfan. Die sehen gut aus, irgendwie alt und erhaben und machen fast nichts, außer Salat kauen. Super!

Na zumindest eine Badeente hast du schon, die sieht auch gut aus und macht sogar noch weniger 😉
Danke für das Interview.

Marion Alexa Müller

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