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Im Schweiße ihres schwarzen Angesichts

Thomas Manegold liest

„Schwarzer Salon“ das dritte deutsche Kunst & Lesefestival. Ein Erfahrungsbericht vom 26.08.11 im Strassen Cafe Dresden.

Die 36°C, die unsere Klimaanlage von Berlin bis nach Dresden auf ein erträgliches Maß gekühlt hatte, schlug uns beim Eintritt in das Strassen Cafe mit voller Härte ins Gesicht. Ein stickiger Raum voll mit schwarz gekleideten Leuten bot sich uns dar, … wir waren wohl doch im Straßengewirr richtig abgebogen. Die Bühne befand sich am Ende des vollen Raumes, einige Reihen Klappstühle waren davor aufgestellt. Sehr auffällig war auch die lange Theke, der jedoch ungewöhnlich wenig Beachtung geschenkt wurde.

In einem weiteren Raum wurden uns zwei Tische bereitgestellt, an denen wir unsere Bücher zum Verkauf darbieten konnten. Außerdem befanden sich gleich zwei Ausstellungen des Künstlers „Andreas Saulig“ in diesem Raum. Impressionistische Bilder, die mit 3D-Effekten spielten– „Art of Nero“, und verschiedene skurrile Plastiken – „Plastica Obscura“. In dieser finsteren Atmosphäre stiegen meine Erwartungen nun und ich konnte kaum den ersten Sprecher erwarten.

Oswald HenkeOswald Henke betrat die Bühne und organisierte sich zu allererst einen mit Freibier geköderten Sklaven, welcher Henke mit einem überdimensionalen, pinkfarbenen Fächer mit frischer Luft versorgen durfte. Mit einer sehr unkonventionellen und unterhaltsamen Bühnenperformance sprach er über Moral und rief auf zur pazifistischen Revolte. Henke ließ sich ausgefallene Interaktionen mit dem Publikum einfallen, die soweit führten, dass man sich nicht mehr aufs Klo traute. Denn man musste fürchten, einen Kommentar von der Bühne abzufangen. Als kleines give away verteilte er noch Süßigkeiten und farbige Hostien. Damit war die Meute angefüttert.

Ich nutzte die folgende Pause, um die großartigen Airbrush-Portraits des zweiten Künstlers „The Celt“ zu begutachten. Die Portraitierten dieser Ausstellung waren vornehmlich Dichtergrößen und Musiker der schwarzen Szene, unter anderem: Lex Wohnhaas, Mozart, Alexander “Alexx“ Wesselsky und der Graf von Unheilig.

Thomas Manegold liest in DresdenEs folgte eine kleine Programmänderung, die aber kaum auffiel. Statt Mozart trat nun ein kahlköpfiger Mann im Bademantel und einer Plüschente auf die Bühne. Thomas Manegold las aus seinem neuen Buch „Morbus Animus“. Als Insasse einer Klapsmühle schilderte er mit den Worten des Protagonisten den Alltag der Klinik. Der Künstler wuchs immer mehr in seine Rolle hinein, sodass es einiges zu lachen gab. Dabei war es ein Genuss, den Sprachgewohnheiten dieses Verrückten (damit ist der Protagonist gemeint) zu lauschen.
Im Anschluss waren Markus Förster und Sara Noxx mit sehr vielseitigen Texten dran. Die oft kurzen Beiträge waren durchsetzt mit Fäkalwörtern. Für mich persönlich viel zu flach.

Doch zum Abschluss trat Mozart, der Sänger und Frontmann von Umbra et Imago, auf die Bühne. Am selben Tag ist er von Kuba aus über Frankfurt (Main) bis nach Dresden gereist und hat sich deshalb leicht verspätet. Dafür war er erstaunlich fit und überraschend gut gelaunt. Nach einem kurzen Erlebnisbericht aus der Gothic-Szene in Kuba, legte er mit zwei unkonventionellen Geschichten los, darauf folgte eine sehr unterhaltsame E-Mail von einem SM-Freier an seine Herrin, die, so man Mozart glauben möchte, nicht fiktiv war. Leider nahm diese Mail eine gähnende Länge an und überforderte mich zu dieser späten Stunde. Den letzten Text bekam ich, trotz inbrünstiger Darbietung, gar nicht mehr mit.

Die auf der Homepage angekündigte „Applausmessung“ wurde leider irgendwie übergangen, auch war nicht so recht zu erkennen, wer eigentlich der Veranstalter war. Doch dieser familiäre Abend nahm mehr oder weniger seinen Lauf und alle hatten ihren Spaß. Unter den zarten Bässen der Depeche Mode Party fuhren wir schließlich satt des Wortes nach Hause.

Die letzte Botschaft von Mozart ließ mich dann nachts doch gut träumen. Er sagte, dass eine Subkultur wie die Gothics wegen ihrer künstlerischen und kreativen Aspekte existiert und nicht primär wegen Mode oder Outfit. Und dass jeder daran teilhaben kann, egal ob aktiv als Künstler oder „passiv“ als Zuschauer. Das finde ich toll.

Autor: Johannes Schönfeld

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