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Der Rächer der Entnervten

Interview mit Oliver Kalkofe

Spätestens seit seiner Fernsehsatire „Mattscheibe“ ist er eine Legende. Oliver Kalkofe schaffte es zudem, derbe Fernsehkritiken ausgerechnet als Kolumnen in Fernsehzeitungen zu platzieren und ist mit einer provokativen Fernsehkritik seit Jahren auf Sendung. Kürzlich parodierte er mit „Der Wixxer“ eine Reliquie des deutschen Fernsehens – den Edgar Wallace Film. Nachdem er also nun auch das Kino erobert hat, ist der unermüdliche Retter des guten Geschmacks mit verbalem Vorschlaghammer auf Deutschlandtour. Und … ich durfte mit ihm reden! Herr Kalkofe hat sich, soviel vorab, seinen Patriotismus bewahrt und – auch wenn das sein Image ein wenig ins Wanken bringt – er entpuppte sich als sehr netter Zeitgenosse.

periplaneta: Sie streiten seit Jahren für ein besseres Fernsehen. Sie kritisieren Medien und werden dafür von diesen sogar gefeiert. Ist nicht „der Feind“ unglaublich clever, wenn er am Ende sogar davon profitiert, wenn er angeprangert wird?
Oliver Kalkofe: Theoretisch ja. Worauf spielen Sie an?

periplaneta: Darauf, daß Ihre Fernsehkritik im Fernsehen läuft und Ihre bissigen Kolumnen in Fernsehillustrierten abgedruckt werden. Damit sind Sie ja Bestandteil dessen, was Sie kritisieren. Oder ist dieser Umstand die eigentliche Groteske?
Oliver Kalkofe: Wenn man gegen „den Feind“ kämpfen will, muß man sich auf sein Terrain vorwagen. Wenn man sich mit der dunklen Seite der Macht auseinandersetzen will, muß man auch in den Todesstreifen fliegen. Wo sollte ich denn sonst hin mit meiner Kritik? Ich könnte mich daheim aufs Sofa setzen und mich darüber ärgern, wie furchtbar alles ist, aber das tun ja schon viele Menschen und es zeigt uns, das man so nicht allzuviel in Bewegung setzen kann. Wenn man über das Fernsehen, über das größte Medium unserer Zeit reden will, dann gibt es keinen besseren Ort dafür, als das Fernsehen selbst. Es bietet durch seinen Umfang immer wieder Nischen an, aus denen heraus noch Kritik möglich ist. Diese muß man besetzen um vielleicht etwas bewirken zu können.

periplaneta: Sie haben diesbezüglich einiges erreicht. Ich persönlich kenne den Sender Premiere nur von jenen legendären Mattscheibe-Sendungen, die er frei ausstrahlte. Merken die Menschen manchmal auch, daß sie dabei über sich lachen? Schließlich muß den Scheiß, den Sie parodieren, ja auch jemand in echt anschauen …
Oliver Kalkofe: Natürlich. Mattscheibe zielt auf die Macher und auf die Konsumenten. Gute Comedy funktioniert nur dann, wenn man einen Teil der Außenwelt und einen Teil von sich selbst darin erkennt. Lustig ist es doch nur, wenn man bemerkt, warum man auf Dinge hereingefallen ist oder warum sie mitunter so bescheuert sind, daß man es gar nicht mehr merkt, wie man ihnen auf den Leim geht. Das ist eine schwierige Aufgabe und hat für mich manchmal gar nichts Komödiantenhaftes mehr, eher etwas von der Arbeit eines Arztes oder eines Chirurgen.

periplaneta: Sie vermitteln seit Jahren beständig den Eindruck, daß das Entertainment im Fernsehen gar nicht mehr tiefer sinken kann. Wundern Sie sich nicht auch, daß es sich trotzdem ständig wieder unterbietet?
Oliver Kalkofe: Ja, ich habe mehrfach gedacht: Das ist jetzt das Ende, wir sind im Keller angelangt, weiter runter geht´s nicht. Doch dann kommt immer einer mit dem Schaufelbagger und gräbt noch zwei Etagen tiefer. Es ist nicht zu glauben. Sich zu wundern, wäre untertrieben. Man reibt sich die Augen und schüttelt mit dem Kopf und – ja, über die Jahre macht sich da schon etwas wie Verzweiflung breit. Man darf aber nicht lethargisch werden. Auch wenn es um einen herum immer schlimmer wird, auch wenn die Versuchung manchmal groß ist, darf man seine Klappe nicht halten.

periplaneta: Da spricht der Patriot, der Kämpfer … wann wäre der denn arbeitslos?
Oliver Kalkofe: Wenn es nur noch tolles Fernsehen gäbe. Aber das ist utopisch. Das wäre gleichbedeutend mit dem Weltfrieden, wir würden alle Waffen einschmelzen, uns alle liebhaben, gemeinsam auf der Wiese sitzen und mit den Tieren sprechen… so wie man sich das Paradies als Fünfjähriger ausgemalt hat.

periplaneta: Als ich so alt war, gab es Edgar Wallace Filme im Fernsehen. Wieso parodieren Sie so etwas. Hat die Zeit, in der diese Filme modern waren, es nicht verdient, in Frieden zu ruhen?
Oliver Kalkofe: Nein, auf keinen Fall. In Frieden ruhen heißt ja auch, sie dabei nicht zu stören und langsam verfaulen zu lassen… Ich glaube aber, daß die Edgar Wallace Welt froh ist, daß sie wieder leben darf. Diese Filme waren damals in den 60er Jahren, als sie entstanden, sehr ungewohnt für deutsche Verhältnisse. Sie waren nämlich sehr kreativ, zwar nicht intellektuell oder künstlerisch höchst anspruchsvoll, aber sie brachten die Trash- & Pulp- Kultur nach Deutschland. Ich finde, daß die Edgar Wallace Filme ein hohes Kulturgut sind, schon allein deshalb, weil damit die Deutschen mal über ihren Schatten gesprungen sind.

periplaneta: Welchen der Schatten meinen Sie denn?
Oliver Kalkofe: Deutsche Filmkreationen waren und sind mitunter sehr verkopft, Komödien und Parodien neigten damals gern zu sinnfreiem Klamauk oder übertriebenem Anstand und moralischen Fingerzeigen mit einer zwanghaften Wertevermittlung, die dann gern nach hinten losgeht. Außer dem gab es damals nur noch ein paar Heimatfilme. Ich habe als achtjähriger diese Filme wohl mit der selben Naivität angeschaut, wie damals in den 60ern die Erwachsenen. Die haben sich damals echt gegruselt… Heute ist es auch für Erwachsene immer wieder ein Riesenspaß, sich mal wieder einen Wallace Film anzusehen, weil man damit in eine Zeit eintauchen kann, die irgendwie auch etwas Unschuldiges hatte.

periplaneta: Im zweiten Teil Ihrer Wallace Parodie „Neues vom Wixxer“ spielen doch tatsächlich ein paar Schauspieler aus den Originalen mit! Damals, als „Der Schuh des Manitu“ so erfolgreich wurde, glänzte Piere Brice ja mit Humorlosigkeit … Bei ihrer Persiflage ist das offensichtlich nicht der Fall.
Oliver Kalkofe: Wir haben Joachim Fuchsberger dabei. Eine Legende! Im ersten Teil hat die Presse darüber spekuliert, ob wir damit nicht den Fuchsberger zum Pierre Brice der Wallace-Welt machen. Er wollte ja auch beim ersten Teil noch nichts damit zu tun haben. Er sagte auch, wie Sie vorhin, daß man das doch in Ruhe lassen solle, aber eher deshalb, weil alle Versuche, die Wallace- Welt zu reanimieren, bislang gescheitert waren. Wir blieben aber hartnäckig ? und haben weitergefragt. Jetzt haben wir ihn mit dabei und er ist einer der begeistertsten Mitspieler. Er hatte einen Riesenspaß. Das zeigt mir, daß man im Alter und auch als Künstler generell nicht humorlos werden muß. Es ist erschreckend, daß manche Leute keine Selbstironie besitzen und es ist schade, daß sie nicht mal so viel Humor haben, um über sich selbst lachen zu können.

periplaneta: Ist die Fortsetzung von „Der Wixxer“ ein Indiz, daß sie mit dem Erfolg des ersten Teils zufrieden waren oder war das Ganze schon als Fortsetzung angelegt?
Oliver Kalkofe: Wir waren überrascht. Es hat keiner damit gerechnet, daß es ein Erfolg wird. Das hat uns dann auch die Fortsetzung ermöglicht. Und nicht nur das, vielmehr mußten wir im zweiten Teil weitaus weniger Kompromisse eingehen, weil mehr Mittel da waren. Wir konnten zudem einige Fehler korrigieren und haben aus dem ersten Teil viel gelernt, sodaß wir nun den wesentlich schöneren Film gemacht haben. Oft ist das ja anders rum.

periplaneta: Der zweite Aufguß muß wider Erwarten ja nicht schlecht sein. Ist wie beim grünen Tee …
Oliver Kalkofe: Und manches Essen schmeckt aufgewärmt einfach besser. Bei Fortsetzungen ist das aber eher nicht der Fall. Wir haben uns aber definitiv gesteigert. Sehr sogar.

periplaneta: Sie sind bekannt als sehr bissig und neigen in ihrem Metier zu Respektlosigkeiten. Wen oder was würden Sie nicht verreißen?
Oliver Kalkofe: Theoretisch kann es jeden treffen. Grundsätzlich schätze ich aber Menschen, die ihre Arbeit machen, weil sie an sie glauben. Leute, die mit Herzblut dabei sind, machen auch Fehler und scheitern. Das gehört einfach dazu. Bei solchen Sachen ist Schadenfreude wohl nicht mein Ding.

periplaneta: Was ist für Sie, jenseits der eigenen Aktivitäten, wirklich gutes Entertainment?
Oliver Kalkofe: Generell etwas, das mich überrascht, mich fesselt und deshalb leider sehr, sehr wenig, was im deutschen Fernsehen passiert. Andererseits bin ich ein großer Fernsehfan. Es gibt diverse englische und amerikanische Serien, vor allem im fiktionalen Bereich, die einfach fantastisch sind und zum Teil toller als Kino. Auch in anderen Ländern wird immer wieder aufs Neue probiert, etwas Großes zu machen, zu erneuern und neue Wege zu gehen. Sicher kommt dabei viel Grütze heraus, aber doch auch immer wieder Glanzlichter und Genreklassiker, die ich im deutschen Fernsehen permanent vermisse. Hier sieht man die Kopie der Kopie von Vorgestern, meistens noch in Schlecht und Billig… ohne Ecken und Kanten und gänzlich ohne den Charme des Originals. Ja, auch anständig klauen will gelernt sein.

periplaneta: Sie sind derzeit auf Tournee. Was erwartet den Besucher einer Kalkofe Show 2007?
Oliver Kalkofe: Das wird ein sehr langer und netter Abend mit vielen Gästen im Publikum, die ich gern persönlich besuchen würde, was ich aber aus Zeitgründen nicht schaffe. Deshalb müssen sie zu mir kommen. Es gibt natürlich viel Kalkofe live, Standup Comedy zu allen relevanten Themen unserer Zeit und vor allem zum alltäglichen Wahnsinn, der ja nicht nur aus Fernsehen besteht. Es wird diverse Gastauftritte geben und zwischendurch Mattscheibe in Häppchen auf Großleinwand, sowohl die Highlights, als auch Material, was sich das Fernsehen nicht zu senden traute…

periplaneta: Herr Kalkofe, ich wünsche Ihnen viel Erfolg, volle Häuser und bedanke mich für das Interview!

Das Interview führte Thomas Manegold.

Links: www.kalkofe.de

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