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Berliner Lesebühnen: Lauschgift

Alle 2 Monate im Pankower Kurt Lade Klub.

Selbst als Ortsfremder ist leicht zu erkennen, dass der Kurt Lade Klub weitab vom Schuss liegt: mitten in der „Lesebühnenwüste“ von Pankow, deren Begrünung das erklärte Ziel der Nachwuchs-Lesebühne „Lauschgift“ ist. Der Altersdurchschnitt liegt geschätzt bei Mitte zwanzig, es sind die jungen Wilden, die da auf der Bühne stehen, und trotzdem lesen wie alte Routiniers.

Die Location ist übersichtlich, aber bequem. Zwischen den Stuhlreihen thronen ein paar alte Sofas, die natürlich sofort in Beschlag genommen werden. Es lohnt sich, denn auch das „Lauschgift“ bricht nicht mit einer augenscheinlichen Lesebühnen-Tradition in Berlin: Angefangen wird frühestens 30 Minuten nach offizieller Angabe, worüber einen die hauseigene Bar im Nebenzimmer leicht hinwegtröstet.

Lesebühne Lauschgift „Lauschgift“ bilden die Stammautorinnen Yulia Marfutova, Anneke Lubkowitz und Lydia Dimitrow zusammen, alle zwei Monate verstärkt durch verschiedene Gäste. Einen inhaltlichen Rahmen im Sinne eines gemeinsamen Themas oder einer durchgängigen Moderation gibt es nicht; wer gerade gelesen hat, sagt kurz seinen Nachfolger an und setzt sich wieder. Der Verzicht auf Showelemente und längeres Plaudern vor oder nach dem Text setzt einen klaren Fokus weg von den Autoren hin zu ihren Werken, deren Qualität den Eintrittspreis von drei Euro (der ohnehin in Form von Flyern re-investiert wird) mehr als rechtfertigt. Hier werden Texte gelesen, die offenkundig nicht für die Präsentation, sondern um ihrer selbst geschrieben wurden; nur wenige lassen sich beim Zuhören vom Autor trennen, vieles klingt persönlich motiviert. Nach rund zweieinhalb Stunden gehaltvollem Programm klingt der Abend mit Open Mic und den „Klogedichten“ des Publikums, die während der Pause entstanden sind, schließlich angenehm leicht aus.

Wer jungen Talenten dabei lauschen möchte, wie sie mit Worten dem Nicht-Sagbarem hinterherjagen, kommt voll auf seine Kosten – ohne Gefahr zu laufen, mühsame Gehversuche bemitleiden zu müssen. Alles in allem ein sehr ehrlicher Abend voller Gedichte und Geschichten, und sogar ein wenig selbst geschriebener Musik.

Paul Waidelich

Fotos: Georg Seiffarth

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