Schlauer werden mit Hank Zerboleschs „Rausch Hour“
Die Supermen für ein richtiges „Wuuusch“. Die blauen Nintendos, wenn du eher chillig unterwegs sein willst. Und bloß nicht die Warios, dann siehst du für die nächsten Stunden nur noch Zombies.
Wenn man solche Sätze in einem Berliner Club hört, geht es ziemlich sicher nicht um Comics oder Computerspiele.
Und der nette, dir auffordernd zunickende Typ, der den größten Teil des Abends bei den WCs rumhängt, aber irgendwie gar nicht zu müssen scheint, ist nicht die Klofrau.
Dein Geld möchte er trotzdem.
Im Bauchladen gibt’s dafür neben Speed und Ketamin (wach und fit oder sorglos und raus) meistens Ecstasy und MDMA.
Dabei ist wichtig zu unterscheiden: MDMA ist eine chemische Verbindung, die meist in Kristallform zu erwerben ist, also reiner Wirkstoff – soweit man in Deutschland eben von „rein“ sprechen kann. Ecstasy bezeichnet hingegen eine Zusammensetzung aus hauptsächlich MDMA (von 200 mg bis zu 0 mg, wenn man Pech hat) und anderen Substanzen, Amphetaminen oder Halluzinogenen, und findet sich in buntbedruckten Pillen mit verschiedenen Motiven.
Bei Ecstasy kann man also weitere positive Effekte erzielen. Wenn du noch ein paar zusätzliche Stündchen fit fürs Tanzen bist, dann war noch ein wenig Pepp, also Speed, in deiner Tablette. Man kann jedoch auch das Pech – oder für die Erfahrungssucher unter uns Glück – haben, und Monster sehen, die sonst nur „Der Exorzist“ bekämpft. In dem Fall hat sich der Vollpfosten an der Bar überdosiert und spielt in seinem Rausch Vampir oder du hast eine Ladung 2C-B mit abbekommen. Oder irgendeine der anderen, vielen Verbindungen, welche die Chemie bereitstellt.
Die Wirkung beim MDMA-Konsum ist theoretisch kalkulierbarer, da keine sonstigen Substanzen beigemischt sind (sein sollten). Die erwünschte Wirkung ist ein Höhenflug in unbekannte Euphorie-Regionen und eine tiefe Verbundenheit zu dem abgefuckten Hänger neben dir.
Von dem breiten Spaß-Spektrum, was die Welt des MDMA bietet, berichtet Hank Zerbolesch in seinem Buch „Rausch-Hour“.
So bringt es beispielsweise der Protagonist auf der Polizeiwache nicht übers Herz, seine in der Hand versteckten MDMA-Reste ins Klo zu spülen. Da er sie lieber schnell ableckt, erlebt er für den Leser erheiternde, interessante Stunden im Gefängnis, wobei der Effekt des Stoffs ausführlich beschrieben wird.
Doch auch das Nicht-Spaß-Spektrum ist breit gefächert: Neben normalen Katererscheinungen am nächsten Tag kann man Kieferschmerzen bekommen (durch starke Kau-Bewegungen oder das Aufeinanderpressen der Zähne während des Rauschs), der Konsum kann zu Schlafproblemen führen, Depressionen oder Angstzuständen. Diese sind durch den Serotonin-Mangel zu erklären, oder durch die Erkenntnis, dass schon wieder Montag ist.
Eine körperliche Abhängigkeit ist selten, gravierender ist eher die psychische. Die Suche nach dem nächsten Hoch kann zur Jagd werden, bei der man in den Wirren zwischen Clubtoiletten, fremden Wohnungen und wilden Nächten selbst zum Gejagten wird.
Fleißig auf der Jagd ist auch die Polizei. Denn MDMA ist illegal. Nach dem Betäubungsmittelgesetz ist der Besitz strafbar, nicht aber der Konsum. Da sage noch einer, man werde vom Staat nicht geistig gefordert.
Wenn man also morgens halb zehn MDMA auf der Straße findet, so darf man es direkt konsumieren, nicht aber fürs Wochenende mit nach Hause nehmen. Eine knallharte Gewissensfrage. Ich oder der nächste Hund.
Sollte man nicht auf der Revaler Straße unterwegs sein, wo dieser Fall durchaus wahrscheinlich ist, und trotz all der Risiken und Nebenwirkungen MDMA erwerben wollen, muss man sich auf Grammpreise zwischen 20 Euro im dark net und 60 Euro in renommierten Clubtoiletten einstellen. Wie in der freien Marktwirtschaft werden die Preise durch Angebot, Nachfrage und Vitamin B bestimmt.
Doch natürlich ist auch der Handel mit chemischen Drogen illegal, und dass die Gesetze auch eingehalten werden, wird vor allem durch die über Jahrhunderte erprobte Devise „Angst statt Aufklärung“ und Überwachung gesichert.
Doch wie bei der gesetzlichen Helmpflicht und dem flächendeckenden Rauchverbot sollte man dem Staat für seine Fürsorge danken. Und dabei darüber hinwegsehen, dass deutschlandweit im Jahr 74.000 Menschen durch Alkohol sterben, von Ecstasy ungefähr 2.
(Foto: Görlitzer Park von Katja Avant-Hard, zu finden unter http://avanthard.wordpress.com/)
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