Ein ungewöhnlicher Literaturpreis.
Literaturpreise sind Preise, welche bei einem Literaturwettbewerb gewonnen werden. Wie wir alle wissen, muss im unoptimalsten Fall der teilnehmende Autor, um mitmachen zu können, eine kostenpflichtige Gebühr zahlen, wohingegen ihm ja aber immerhin dafür bei Gewinn eine exzeptionelle Prämie für den magnifikantesten Text verliehen wird.
Schon gewusst? Dies war ein Beispiel für einen schlechten Text. Der Leser hat Informationen erhalten, die im Grunde jeder vorher weiß, ein Schachtelsatz war auch dabei, nicht zu vergessen die Substantivierungen, um dem Ganzen etwas Intellektuelles zu geben. Und so einiges mehr. Ein schlechter Text.
Schlechte Texte finden sich überall. Immer wieder tauchen grauenhaft formulierte Schriften mit inhaltslosen Zeilen scheinbar aus dem Nichts auf.
Der Verein WORT-WERK dreht den Spieß um und lädt Autoren ein, einen absichtlich schlechten Text zu schreiben. Der „Beste“ (Schlechteste) gewinnt bei der „Nacht der schlechten Texte“.
Einen schlechten Text schreiben – wie geht das? Wie kannst Du bei diesem Wettbewerb gewinnen? Fragen über Fragen, die sich viele von euch jetzt sicherlich beginnen zu stellen.
Nun, Fehler in Grammatik, Satzbau oder Rechtschreibung verstehen sich quasi von selbst.
Ein schlechter Text ist außerdem unübersichtlich. Wahllos eingefügte oder ganz ausbleibende Absätze vergällen es dem Leser, mit dem Lesen überhaupt anzufangen. Außerdem ist es dann einfach komplizierter, den Text zu verstehen. Und genau das wollen wir ja eben in diesem Fall versuchen zu erreichen.
Darüber hinaus darf ein schlechter Text keinen roten Faden haben. Desto konfuser, um so besser. Willkürliche Gedankensprünge, falsche Bezüge, geschickt und vor allem reichlich platzierte Füllwörter und beliebig wechselnde Erzählinstanzen helfen dabei, den Leser nachhaltig zu verwirren oder zu beeindrucken, was ja im kontextuellen Zusammenhang dasselbe ist, wenn nicht sogar das Gleiche!!! Zeitsprünge, auch innerhalb nur eines Satzes, sind, ebenso wie Anglizismen, ein Must-have in Deinem Repertoire.
Zudem solltest Du Dir nicht wirklich Gedanken darum machen, an wen sich der Text richtet und welches Vorwissen deine Crowd hat. Somit können Verständnislücken geöffnet und weitere, im Grunde eigentlich unnötige Erläuterungen, gern auch von Wikipedia kopiert, eingefügt werden. Das macht einen Text wunderbar zähflüssig.
Quäle den Leser, indem Du endlos referierst, ohne eine Pointe zu setzen oder auf den Punkt zu kommen. Versuche nicht nur, nicht beim Thema zu bleiben, sondern die Frage danach überhaupt nicht aufkommen zu lassen.
„Waterboarding“ kann durch Mithilfe Deines Textes zu einem lächerlichen Freizeitvergnügen werden. Mache billige, geschmacklose Witze. Wenn Du einen besonders genialen Einfall hast, dann wiederhole ihn so lange, bis Dein Leser merkt, dass Du ihn für zu dumm befindest (also den Leser, nicht den Einfall), Deinen geistigen Schachzug auf Anhieb begreifen zu können. Das gibt Sympathie-Abzug und schließlich sollte ein schlechter Text auch von einem unsympathischen Autor stammen.
Scheue Dich nicht davor, unverständlich zu sein. Eine gewisse elitäre Hochnäsigkeit, die nichts hinterfragt, ist für einen schlechten Text eine signifiziente Voraussetzung. Diesbezüglich ein weiterer Tipp: Verwende Fremdwörter, die Du selbst erst googeln musst.
Die Benutzung von Substantivierungen ist Pflicht, wie auch der inflationäre Gebrauch redundanter Füllwörter und vielfach bewährter Phrasen, denn über Geschmack lässt sich nicht streiten, weil Du Sätze mit falschen Konjunktionen verknüpfst. Wie wir alle wissen, ist es wichtig, Behauptungen aufzustellen, wo es nur geht. Ein Adjektiv-Dauerfeuer ist ebenfalls zu empfehlen, da es die Phantasie des Lesers in brüchigen Schutt und graue Asche legt. Oder potenziere ins sprachliche Nichts hinein. „Aktuell“, „extrem“ oder „einzig“ sind nicht genug für eine sprachliche Entgleisung, da geht in der optimalsten Steigerung noch eindeutigster mehrst.
Es zeugt auch von sprachlicher Nicht-Eloquenz, wenn Du komplizierte Schachtelsätze für einfache Handlungsstränge verwendest, schlicht und ergreifend aus dem einfachen Grund, weil einfache, unkomplizierte Hauptsätze wegen ihrer unspektakulären, unprätentiösen Kürze, in der angeblich ja die Würze liegen soll, viel zu leicht durchschaubar sind und somit auf jeden Fall vermieden werden sollten. Die Passivverwendung ist sowieso ein Muss. „Das nasskalte Wasser ertrank sie“ klingt doch auch viel intellektueller, viel poetischer als „sie ertrank im kalten Wasser“. Benutze Schmalz und trage dick auf, auf dem harten Brot des Künstlerdaseins und verwende Metaphern, die so inhaltsleer sind wie ein Griff ins frischgeputze Klo von Chuck Norris.
Doch die Höchste aller Künste ist, wenn man aus dem Text über den Autor mehr erfährt als wie über die Protagonisten. Schreib am besten immer über Dich selbst und behaupte, dass alles erfunden ist. Eine verbrämte Überhöhung des eigenen Egos kann selbst einem guten Plot den finalsten Todesstoß verabreichen. Dann ist Dein Leser nicht nur geneigt, sondern wirklich geknickt.
Nun weißt Du, wie Du diesen grandiosen Wettbewerb von WORT-WERK gewinnen könntest. Und das ist bei Leibe nicht einfach, denn es erfordert ein Höchstmaß an literarischer Disziplin, die ein schlechter Autor eigentlich gar nicht hat, um sich selbst mit spitzer Feder durch ein Zeitfenster auf die andere Seite der Medaille zu stoßen. Nichts scheint schwieriger als wie Fehler mit vollster Absicht zu vergeigen.
Übrigens: Texte, die nicht den Kriterien von WORT-WERK entsprechen, kannst Du gerne bei uns einreichen 😉