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Über Makellose Männer und Sprache.

Alexandra Luethen

Ein Interview mit Alexandra Lüthen.

In der Edition Mundwerk ist die Wettbewerbs-Anthologie “Makellose Männer” erschienen. Das Autorenforum Berlin e.V. hatte den Wettbewerb ausgeschrieben und nun die Gewinnertexte und in dieser Anthologie veröffentlicht. Melanie Jacobsen sprach mit der Mitherausgeberin Alexandra Lüthen über Männer, das Autorenforum und ihr eigenes Buch.

P: Wie seid ihr auf das Thema gekommen?

AL: Das Thema hat dieses Jahr Doris Anselm gestellt. Sie hat sich in ihrem Buch „Hautfreundin“ mit Begegnungen einer Frau mit Männern beschäftigt und erzählte auch von A.L. Kennedys Kurzgeschichtenband „Ein makelloser Mann“. Das Thema war also präsent und wir fanden es lohnenswert. Wir wollten nicht nur einen makellosen Mann, sondern gerne mehrere Ideen zu diesem Thema bekommen. Was definieren die Autor*innen als Makellosigkeit, als Männlichkeit? Hat das mit Körperlichkeit zu tun oder verortet man das Thema in Gedanken oder im Konkreten?

P: Die ausgewählten Texte sind sowohl inhaltlich als auch stilistisch sehr unterschiedlich. Auf was wurde bei der Auswahl Wert gelegt?

AL: Die drei preistragenden Texte zeigen sehr gut, was wir wollten: Eine eigene literarische Sprache, einen abgeschlossenen Text, der in sich Weite trägt und eine innere erzählerische Haltung zum Thema.

Bei den weiteren Texten der Anthologie wollten wir gerne auch experimentelle Texte zeigen, so die Dialogtexte „Was macht das mit Rolf“ und auch das wortreiche „Familienbegräbnis“. Auch Texte, die das Thema als Aspekt aufgriffen, wie der „Minimalinvasiv“, die „Eintonveranstaltung“ und den „Hausfreund“. Wir wollten auch dem Absurden einen Raum geben, wie er in „Anna“ gezeichnet wird und Texte, die Fragen in sich tragen, wie „Das pure Leben“ und „Der schöne Martin“. „Berghain“ und „Die Aussicht aus Chatfenstern“ sind typische Berlintexte aus dem Jetzt, ebenfalls sehr Berlin ist „Der Mädchenschwarm“, der aber einige Jahrzehnte auf seinem Sterbebett versammelt.

P: Welche Rolle hattest Du bei der Anthologie?

AL: In diesem Jahr habe ich mit Doro Klein und Bastian Terhorst die Texte ausgewertet und gemeinsam die drei Preistexte und auch die Texte für die Anthologie ausgewählt. Als Herausgeberin war ich die Ansprechpartnerin für die Autoren und Autorinnen und habe mich um das Gesamtmanuskript und die Organisation der Veröffentlichung gekümmert.

P: Dann hast nun einen tiefen Einblick in die verschiedenen Aspekte der Makellosigkeit von Männern. In wie weit sind diese auch übertragbar auf Frauen?

AL: Komplett. Es ist ja nur eine erzählerische Prämisse, von einem makellosen Mann aus zu starten. Wenn Frauen über Männer erzählen, ob als Autorin oder Protagonistin, erzählen sie gleichzeitig genau so viel von sich selbst. Wenn Männer über Männer erzählen, erzählen sie auch über Frauen. Die Leerstellen, die wir lassen, sind ja kein Vakuum. Der Anspruch, den eine Person an einen andere hat, verrät viel über sie selbst. Makellosigkeit als Ideal ist unerreichbar, wäre auch nicht interessant. Spannend sind die Versuche, Makellosigkeit zu erreichen oder in jemand anderem zu finden. Was wäre dann? Und was soll es sein, wenn man es mit einem weiteren großen Behauptungs-Konzept wie Männlichkeit kombiniert?

P: Wie würdest du das Konzept des Autorenforums Berlin beschreiben?

AL: Das Autorenforum Berlin wurde als Forum unbekannter Autoren gegründet mit dem Ziel, ihr literarisches Arbeiten zu fördern. Das ist gleich geblieben. Wir sind ein kleiner Verein mit wenigen festen Mitgliedern, die sich um die Struktur kümmern und den Rahmen halten.
Was das Leben des Forums ausmacht, sind unsere Veranstaltungen, die wirklich viele Besucherinnen und Besucher haben. Unsere offene Werkstattbühne am Montagabend in der Schwartzschen Villa mit jeweils drei Leseplätzen für unveröffentlichte Texte, an denen noch gearbeitet wird, ist so etwas wie unser schlagendes Herz. Es gibt keinen Applaus, dafür das wahrscheinlich beste Lektorat der ganzen Stadt, weil im Auditorium Kolleginnen und Kollegen sitzen, die sehr fundierte Textkritik geben. Hart zum Text und sanft zum Autor und zur Autorin, ist das Motto. Wir haben ein bis zwei große Lesungen jährlich, immer auch offen für Texte von Gästen des Forums. Darüber hinaus bieten die zweijährlichen Wettbewerbe eine Möglichkeit, mit einem Text sichtbar zu werden.

Alexandra Lüthen “Maras Baby”

P: Du hast dieses Jahr ein Buch veröffentlicht, das für die Nutzung Einfacher Sprache wirbt. Was hat Dich dazu veranlasst?

Allen eine Chance – warum wir Leichte Sprache brauchen“ ist ein essayistischer Band über eine größtmögliche Offenheit des Erzählens geworden. Ich schreibe unter anderem auch Literatur in Einfacher Sprache. Ursprünglich wurde die Einfache und Leichte Sprache entwickelt, um auch Menschen mit geringen Lesefertigkeiten (durch kognitive Einschränkungen, andere Muttersprache oder nicht erworbene Lesekompetenz) Zugang zu relevanten Informationen zu geben. Kultur sollte davon keinesfalls ausgenommen sein. Literatur ist wesentlich. Es ist ein direkter Tribut an eine demokratische Gesellschaft, wenn Teilhabe etwas Selbstverständliches ist. Für mich als Autorin geht das Erzählen in Einfacher Sprache dann aber schnell weg von diesen äußeren Überlegungen. Ich nehme das Konstrukt als gegeben und bewege mich in den freien erzählerischen Raum im Inneren des Regelwerks. Die Texte, die unter dieser Maßgabe entstehen, zeigen nichts mehr von Enge. Sie sind präzise, zwingend, direkt und haben interessanterweise eine starke Dichte, obwohl sie doch so klar strukturiert gearbeitet wurden.

Vielen Dank für das Interview.
Alexandra Luethen Foto: Florian von Ploetz

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