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Gewalt ist selten die beste Lösung – aber fast immer die einfachste

Michael Schöpf - Periplaneta

Ein Interview mit dem Autor Michael Schöpf.

Im Herbstprogramm 2019 ist in der Edition Totengräber „Ham & Axe“ erschienen. Darin erzählt der Autor die Geschichte eines ganz besonderen Hotels an der schottischen Steilküste, seiner Angestellten und der selten lebendig wieder abreisenden Gäste. Laura Alt hat mit Michael Schöpf über Gewalt, schwarzen Humor und schottischen Whisky gesprochen.

Die Angestellten im „Ham & Axe“ folgen einem eigenen Moral-Codex. Trotz ihrer – in den Maßstäben unserer Gesellschaft – unmoralischen Taten halten sie zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Existiert eine allgemein gültige Moral, auf die sich alle Menschen einigen können?

M.S.: So pauschal kann man das gar nicht beantworten. Ich denke, unsere Moral ist ganz stark abhängig von unserer Erziehung sowie von unserem sozialen, politischen und religiösen Umfeld. Wenn wir in einem System aus Hass und Angst aufwachsen, entwickeln wir eine andere Moral, als wenn wir in ein stabiles Umfeld voller Liebe und Toleranz geboren werden. Trotzdem gibt es für mich einen gemeinsamen „moralischen Nenner“, der aus meiner Sicht alle Menschen im Grunde ihres Herzens verbindet – und der auch in meinem Buch immer wieder eine wichtige Rolle spielt: Jeder ist sich selbst der Nächste.

Was ist der Hauptgrund für Gewalt?

M.S.: Gewalt ist selten die beste Lösung – aber fast immer die einfachste. Und wir Menschen neigen nun mal dazu, uns das Leben so einfach wie möglich zu machen. Hinzu kommt, dass in bestimmten Kreisen Gewalt (irrtümlich) mit Stärke gleichgesetzt wird. Solch einen Kreis verkörpert z.B. das „Ham & Axe“-Universum.

Michael Schoepf - Periplaneta

Die Todesfälle in Deinem Buch resultieren teilweise aus gescheiterter Kommunikation und fehlendem Respekt. Wie sollten Menschen sich begegnen, damit es nicht zu Konflikten kommt?

M.S.: Empathie ist der Schlüssel für eine „fruchtbare“ Begegnung. Wer sich in den anderen hineinversetzen kann, der springt leichter über seinen eigenen Schatten. Fakt bleibt aber: Manche Menschen sollten sich einfach nie begegnen.

Ich bin während des Lesens zusammengezuckt, als ich der Figur des cholerischen Chefs begegnet bin. Gibt es für Dich eine Grenze des schwarzen Humors?

M.S.: Jeder Mensch freut sich gerne. Schadenfreude ist letztendlich auch nur eine Art von Freude. Deshalb funktioniert schwarzer Humor auch bei den meisten Menschen so gut. Und es liegt in der Natur des schwarzen Humors, Grenzen zu überschreiten. Anstands-Grenzen. Grenzen des guten Geschmacks. Political Correctness. Ist für mich alles in Ordnung, solange es mit einem Augenzwinkern geschieht. Wird schwarzer Humor jedoch zu Propagandazwecken instrumentalisiert – oder missbraucht, um radikale Gesinnungen zu verbreiten, dann ist bei mir definitiv eine Grenze überschritten.

Wieso spielen deine Geschichten in Schottland – passt die raue Steilküste zum Setting oder trinkst du einfach nur gerne schottischen Whisky?

M.S.: Vor ein paar Jahren war ich beruflich in Schottland. In Aberdeen und Umland. Es war Frühling – hat sich aber angefühlt wie Winter. Ich habe mich sofort in dieses raue, dennoch herzliche Land verliebt. Je höher man in den Norden kommt, desto einsamer und ursprünglicher wird alles. Und als mir das erste Mal die Idee zum „Ham & Axe Hotel“ kam, war mir sofort klar, dass das nicht im z.B. Schwarzwald stehen kann. Oder – moin, moin – irgendwo an der deutschen Nordsee. Ich brauchte etwas abgelegenes, dennoch gut erreichbares. Etwas mit internationalem Flair und ländlichem Charme in einem. Da war der Norden Schottlands recht naheliegend. Dass ich mich letztendlich für den allernördlichsten Zipfel Schottlands entschieden habe, hat nur den einen Grund: Ab hier geht es nicht mehr weiter. Auf die eine oder andere Art.
Schottischen Whisky trinke ich übrigens auch ganz gerne. Wie man meinem Buch bestimmt anmerkt …

Michael Schoepf - Periplaneta

Würdest Du das „Ham & Axe Hotel und Spa“ besuchen und dort übernachten wollen?

M.S.: Klar. Ich weiß ja auch, was für ein Zimmer ich verlangen muss. Außerdem gibt es da eine schummrige Bar mit sensationeller Whisky-Auswahl. Und der Service reißt sich sprichwörtlich die Arme und Beine aus. Oder eben anderen …

Viele Gäste des Hotels sind Reisende. Wo fährst oder fliegst Du am liebsten hin?

M.S.: Tatsächlich gibt es keinen Ort, wo ich am liebsten hinreise. Früher war ich gerne Wandern. Zum Beispiel im Norden Finnlands. Wo du nachts im Zelt die russischen Wölfe heulen hörst. In der Karibik war ich mit Haien tauchen. Und im australischen Outback habe ich Kängurus beobachtet. Mir ist im Prinzip egal, wo es hingeht. Hauptsache ich erlebe etwas Neues. Mache neue Erfahrungen, die meine kleinen grauen Zellen ankurbeln. Dazu muss man nicht zwangsläufig um die halbe Welt fliegen. Letztens sind wir quasi nur aus der Haustüre gefallen – und haben einen Familienurlaub am Tegernsee gemacht. Einfach unglaublich, wie idyllisch das bayrische Hinterland sein kann. Vor allem mit kleinen Kindern wirklich super.

Hast Du – für möglicherweise verunsicherte Leser – einen „sicheren“ Reise-Tipp für Schottland?

M.S.: Aberdeen ist eine fantastische, kleine Hafenstadt mit toller Architektur. Ich würde vielleicht eher im Sommer hinfahren, denn von der Nordsee pfeift immer ein recht kalter Wind ins Land. Außerdem passt blauer Himmel besser zu den vielen grauen Granit-Bauten. Von dort ist es auch nur eine halbe Stunde mit dem Auto zum Dunnottar Castle – dem Prototypen einer schottischen Burg. Außerdem gibt’s im Aberdeenshire jede Menge kleiner Destillen, die man besichtigen kann.

Gibt es Pläne für weitere Bücher?

M.S.: Das „Ham & Axe Hotel und Spa“ hat noch jedem Menge Geschichten auf Lager. Band 2 ist bereits in Planung. Aye!

Vielen Dank für das Interview.

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