Veröffentlicht am Schreib einen Kommentar

Lautlos zweifeln oder zweifellos laut?

Matthias Niklas

Matthias Niklas über Harmonie, Sprache & Weltrettung.

Er ist Lesebühnenautor bei OWUL und beim Dichtungsring, Veranstalter des Dicht.it-Slam Berlin und Übersetzer. Seit kurzem verstärkt Matthias Niklas aktiv das Periplaneta-Team, mit Tatendrang und schwarzem Humor. Und zu allem Überfluss auch noch zweisprachig, denn Matthias Niklas kümmert sich vor allem um Periplanetas jüngstes Baby, die englischsprachige Edition “Work Of Mouth”. Zuvor hatten wir ihn bereits jahrelang bekniet, er solle doch endlich ein Buch mit seinen Texten veröffentlichen. Nun können wir auch bei dieser missionarischen Aufgabe einen ersten Erfolg verzeichnen: „Laut Los Zweifeln“ erscheint zeitgleich mit der englischen Variante „Doubt Out Loud“ als Mini-eBook. Da hinter beiden „Vol.1“ steht, hoffen wir natürlich auf eine Fortsetzung der Reihe.
Hier nun ein kleines Interview mit unserem zweiten Mann im Team. Und… nein, die Frisur ist kein Einstellungskriterium.

Du machst komplexes und rasant erzähltes Kabarett mit einem Schuss bitterer Moralphilosophie. Wie erklärst du dir, dass ein feierwütiges Poetry-Slam Publikum bei dir trotzdem so gerne laut applaudiert?

V&W Aug 14Matthias Niklas: Weil Poetry Slam Publikum nicht per se feierwütig ist. In seinen besten Momenten ist Slam einer der wenigen Orte, an denen überhaupt noch Kabarett stattfindet, und das Publikum sucht das auch. Der Fairness halber bin ich aber auch nur ein guter Vorrundenslammer, kein typischer Finalsiegertyp, weil Moralphilosophie – auch für mich – nur in Maßen zu genießen ist.

Ist eine Welt, in der alles harmonisch zugeht, für dich eher eine Utopie oder eine Dystopie?”

M. N.: Als kritischer Rationalist ist eine Welt voller Harmonie für mich eher beängstigend, die klingt nach „Gott wird schon alles richten“. Ich bin kein Feind von Konflikten. Zweifel ist naturgemäß ein Zwiespalt mit etwas oder jemanden, und wenn es nur man selbst ist. Aber ich bin ein Feind des Gedankens, dass Gewalt Konflikte lösen kann, denn sie kann sie nur vertagen.

Wieso verzweifeln die Menschen lieber, als dass sie zweifeln?

M. N.: Tun sie das? Meiner Erfahrung nach machen die meisten Menschen beides nicht gerne.
Ich persönlich kann nicht verzweifeln, ich habe da einen blinden Fleck, aber warum sollten Menschen nicht? Wir haben evolutionär nicht gerade Schritt mit der Welt gehalten, die wir uns geschaffen haben, und die Aufholjagd ist anstrengend. Und zweifeln wie auch verzweifeln bedeutet, uns zuzugestehen, wie überfordert wir dabei manchmal sind.

Deine Texte sind sehr von Selbsterfahrenem geprägt. Warum nicht mal was durch und durch Fiktives?

M. N.: Die pragmatische Antwort ist, dass mir ein hiesiger Verlagsmitarbeiter einmal gesagt hat, dass ich nicht mit einem Roman debütieren sollte. Da ging er hin, mein Traum.
Meine kürzeren Texte sind für die Bühne bestimmt, und die Bühne bietet keinen Raum, ein Universum zu erschaffen, welches das Publikum emotional nachvollziehen kann. Da muss und will ich auf jene Welt zurückgreifen, die ich ohnehin mit ihnen teile. Oder, um Stephen King abzuwandeln: Lies vor, was du kennst.

Deine Bühnentexte erscheinen in Deutsch und in Englisch. Welche Vorteile hat die eine Sprache gegenüber der anderen?

M. N.: Ganz pauschal gesagt ist es auf Englisch leichter, einen Gedanken zu kommunizieren, und auf Deutsch leichter, ihn zu präzisieren. Wo wir schon bei Pauschalaussagen sind: Ich liebe beide Sprachen, rede aber lieber Englisch und schreibe lieber Deutsch.

Aus welchem Grund würdest du die Welt retten wollen?

M. N.: Die Welt kommt ohne uns und mich gut zurecht. Die braucht keine Rettung, schon gar nicht von mir, die braucht eher Fragen. Und ich habe drei Kinder, denen ich wünsche, diese Welt genießen zu können. Mehr Grund, Fragen zu stellen, brauche ich nicht.

Das Interview führte Marion A. Müller.

Newsletter?

Wähle mindestens eine Liste:

Schreibe einen Kommentar